Das baden-württembergische Innenministerium hat sich etwas vorgenommen: „Eugen Bolz in den Herzen ein Denkmal setzen.“ Der Anfang ist gemacht – mit einer großen Gedenkveranstaltung für den Mann der Werte und des Widerstands.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Ein starker Satz, eine starke These: „Eugen Bolz war einer der bedeutendsten Regimegegner, die das Land hervorgebracht hat.“ Er stammt aus dem Mund von Peter Steinbach, dem wissenschaftlichen Leiter der Gedenkstätte deutscher Widerstand in Berlin, vorgetragen am Mittwochabend bei einer Gedenkveranstaltung zu Ehren vonEugen Bolz(1881-1945) im Stuttgarter Innenministerium. Anlass war dessen 135. Geburtstag am 15. Dezember.

 

Wenn diese These stimmt, warum ist der frühere württembergische Staatspräsident, Justiz- und Innenminister dann so schwach im kollektiven Gedächtnis verankert? Obwohl es in Stuttgart eine Bolzstraße gibt, ein Bolz-Denkmal am Königsbau und neuerdings einen Neubau beim Staatsministerium, der seinen Namen trägt?

Steinbach erklärt sich den Umstand mit der starken katholischen Prägung von Eugen Bolz. Angesichts der sich auflösenden konfessionellen Bindungen im Nachkriegsdeutschland habe er wenig Beachtung gefunden. In jüngerer Zeit jedoch wächst das Interesse an dem in Rottenburg geborenen Zentrums-Politiker. Dazu hat das von der Diözese Rottenburg-Stuttgart eingeleitete Seligsprechungsverfahren maßgeblich beigetragen. Zum Teil auch die Diskussion um Erhalt oder Abriss der früheren Bolz-Villa auf dem Killesberg, die unsere Zeitung intensiv begleitet hat.

„Ein Denkmal in den Herzen setzen“

Ehemalige Bewohner der Villa, Studenten des Kollektivs 44, die dort für ein Jahr untergekommen waren, sind am Mittwochabend unter den rund 100 Gästen der Gedenkveranstaltung. Auf Einladung des Innenministeriums präsentieren sie Foto-Impressionen aus der Bolz-Villa und schildern ihre Eindrücke, die sie dort gesammelt haben. Durch den Aufenthalt in der Villa waren sie zum ersten Mal mit Eugen Bolz in Berührung gekommen. Er hat sie fasziniert. Insbesondere sein Satz: „Ich weiß, es ist gefährlich, aber ich muss dabei sein“. In der Villa hatten die jungen Bewohner Bolz eine eigene Gedenkecke gewidmet und bei ihrem Auszug ein riesiges Bolz-Konterfei auf die Fassade des Abrisshauses gesprüht, das bis heute weithin in Stuttgart zu sehen ist. Seit einem Jahr steht das Gebäude leer. Das Wohnungsbauunternehmen, das die Villa von den Bolz-Enkeln erworben hat, äußert sich nicht zum Abrisstermin.

Zwei der vier Enkel von Eugen Bolz, Paul und Eugen-Rupf-Bolz, sind am Mittwoch ebenfalls unter den Gästen. Sie lauschen Steinbachs Rede und vernehmen die Absicht von Ministerialdirigent Hans-Joachim Albinus, „Bolz ein Denkmal in den Herzen zu setzen“. Das Bemühen des Innenministeriums ist erkennbar, auch wenn die Hausspitze – Innenminister Thomas Strobl und Staatssekretär Martin Jäger – an diesem Abend fehlt. Dafür hat das Ministerium einen Nachdruck von Bolz-Schriften veranlasst und eine Broschüre aufgelegt. Darin wird auch die von der Stuttgarterin Olga Waldschmidt 1958 geschaffene Bolz-Büste vorgestellt, die im Foyer des Innenministeriums zu sehen ist.

Bolz starb unter dem Fallbeil

Vor allem aber ist es Peter Steinbach, der dem lange vernachlässigten Widerständler Eugen Bolz Profil verleiht. Er schildert ihn als Mann der Werte, der zwar ebenfalls Irrtümern unterlag, den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes aber frühzeitig erkannte und in Opposition zu ihm ging – mit allen Konsequenzen. Bolz’ Kontakte zu den Attentätern vom 20. Juli 1944 wurden ihm zum Verhängnis. Am 23. Januar 1945 starb er in Berlin-Plötzensee unter dem Fallbeil. Steinbach ist überzeugt: Der Widerstandskämpfer Bolz wäre heute sehr viel präsenter, wenn ein Film über ihn gedreht worden wäre – wie über die Hitler-Attentäter Georg Elser und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Filme, Bilder prägen sich ein. „Eine interessante Anregung“ findet Weihbischof Johannes Kreidler. Er will sie weitertragen.