Der Komponist Hans Georg Pflüger starb vor 20 Jahren. Freunde von ihm haben zu seinem Gedenken nun ein Konzert organisiert. Im Interview spricht der Weggefährte Rudolf Bayer darüber, warum die Stadt Bietigheim-Bissingen ihm das schuldig ist.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Bietigheim-Bissingen - An diesem Samstag jährt sich der Todestag des Bietigheimer Komponisten und Organisten Hans Georg Pflüger zum 20. Mal. Aus diesem Anlass haben Freunde und Weggefährten ein Gedenkkonzert für ihn organisiert. Es findet am Samstag um 20 Uhr im Hans-Georg-Pflüger-Saal im Schloss in Bietigheim-Bissingen statt. Der Eintritt ist frei. Rudolf Bayer, ein Freund Pflügers, erzählt, warum das Gedenkkonzert so wichtig ist.

 

Herr Bayer, warum braucht es zur Erinnerung an Hans Georg Pflüger ein Konzert?

Weil 20 Jahre nach seinem Tod eine Vergessenheitskultur vorherrscht, der etwas entgegengesetzt werden muss. Es ist nur angemessen, dass wir den Fokus auf einen mit 55 Jahren zu früh verstorbenen Komponisten richten, der enorme Potenz und Qualität hatte. Viele große Interpreten und Ensembles der 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben seine Werke gespielt oder Kompositionen bei ihm in Auftrag gegeben, und zu seinen Lebzeiten verging kaum ein Jahr, in dem es nicht bedeutende Uraufführungen seines symphonischen Werkes gegeben hätte.

Das Gedenken übernimmt das renommierte Rodin-Quartett aus München, das Programm bettet Pflügers Drei Bagatellen für Streichquartett in Kammermusikwerke von Schubert und Mendelssohn ein. Würde sich Pflüger in dieser musikalischen Gesellschaft wohlfühlen?

Ganz gewiss. Als Komponist fühlte er sich als einer, der sich zwischen der Zweiten Wiener Schule und der Tradition der Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts bewegte, aus der es für ihn viel Bewahrenswertes in die Gegenwart mitzunehmen galt. Er war kein Mann der extremen Töne, in keiner Hinsicht.

Welche Rolle spielte seine Heimatstadt Bietigheim-Bissingen für sein Schaffen?

Die Stadt hat eine nicht zu unterschätzende mäzenatische Funktion übernommen. Viele große Werke entstanden als Auftragskompositionen der Stadt und erlebten dort auch ihre Uraufführung. Das war für Hans Georg Pflüger, der sein Haupteinkommen aus seiner Organistenstelle an der Bad Cannstatter Liebfrauenkirche bestritt, von elementarer Bedeutung. Auch wenn er einen großen Namen hatte, musste er schließlich von etwas leben. Musik braucht Fürsprecher, Neue Musik und Komponisten brauchen Förderer. Der damalige Oberbürgermeister Manfred List war der Musik sehr zugetan, so stieß Hans Georg Pflüger in Bietigheim über die Jahre hinweg auf dauerhaftes Verständnis für seine Arbeit.

Sie waren jahrzehntelang mit Hans Georg Pflüger befreundet. Wie sind Sie einander begegnet?

Er spielte als Jugendlicher Orgel in der katholischen Kirche. Wenn er nach dem Schlussstück noch weiter improvisierte, blieben viele Leute sitzen, um ihm zuzuhören. Ich auch. Es war faszinierend: Er war überbordend, sprudelnd, rasant wie junger Wein. Wir kannten uns aber auch aus dem Gymnasium. Er kam immer in Anzug und mit Schleife und fiel dadurch ziemlich aus dem Rahmen, musste auch einiges an Spott ertragen. Aber er ist immer unbeirrt seinen Weg gegangen und hat ungeheure Haltung gezeigt. Gleichzeitig war er hoch sensibel und verletzbar. Sein Vertrauen musste man sich schon verdienen.

Wie wirkt sein Schaffen in der Stadt nach?

Weil er seine Kontakte spielen ließ, sind früh bedeutende Künstler nach Bietigheim gekommen. Dass zum Beispiel Hilary Hahn eines ihrer ersten Konzerte hier gab, ist ihm zu verdanken. Ebenso, dass wir eine so erfolgreiche Musikschule haben, deren Konzertsaal heute seinen Namen trägt, oder hochkarätige Musikreihen, die den Vergleich mit Stuttgart nicht zu scheuen brauchen. Dass sein Freundeskreis jetzt mit der Stadt das Gedenkkonzert auf die Beine gestellt hat, ist also weit mehr als ein Freundschaftsdienst. Ich sehe es als Pflicht an, dass diejenigen, die um seine Bedeutung wissen, ihr Wissen weitertragen.