Während der Gedenkstunde für die Opfer des Amoklaufs von Winnenden und Wendlingen wird auch derer gedacht, die um Menschen trauern, die bei ähnlichen Bluttaten ums Leben gekommen sind.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Dieser Tag ist in Winnenden ein besonderer, und er wird es wohl für lange Zeit bleiben: Am 11. März wird der 15 Ermordeten gedacht, die während des Amoklaufs vor sechs Jahren an der Albertville-Realschule, im benachbarten Schlosspark und in einem Autohaus in Wendlingen (Kreis Esslingen) erschossen wurden. Was den Täter zu der ungeheuerliche Tat trieb, das kann bis heute niemand wirklich sagen, denn der 17-Jährige nahm sich selbst das Leben.

 

Und so stehen auch jetzt wieder mehrere hundert Menschen vor dem Mahnmal an der Stadthalle, darunter viele Schülerinnen und Schüler sowie mehr als 150 Altschüler der Albertville-Realschule. Verwandte und Freunde der Getöteten und viele Helfer von damals sind zu sehen, Angehörige der Feuerwehr, des Roten Kreuzes und der Polizei. Die Sozialministerin Katrin Altpeter und der Regierungspräsident Johannes Schmalzl stehen neben Mitgliedern der Stiftung gegen Gewalt an Schulen.

Amoklauf in Alabama ein Tag vor Winnenden

Um 9.33 Uhr beginnen die Kirchenglocken in der nahen Altstadt zu läuten. Es ist ein strahlendblauer Frühlingsmorgen, genau wie am 11. März vor sechs Jahren, was die Erinnerung an jenen Tag noch intensiver werden lässt. Kein Wort ist auf dem Platz vor dem Mahnmal zu hören, schweigend warten die Anwesenden auf das Ende des Glockengeläuts. Erst dann ergreift der Oberbürgermeister das Wort.

„An diesem Tag gedenken wir auch der Menschen, die an anderen Orten auf dieser Welt durch Gewalttaten ums Leben kamen“, sagt Hartmut Holzwarth. Mit deren Angehörigen sei man in Winnenden im Schmerz vereint. In einem Roman des Schriftstellers Martin Suter sei er kürzlich zufällig darauf gestoßen, dass am 10. März 2009 im US-Bundesstaat Alabama ein Amokläufer zehn Menschen erschossen hatte. „Die Zeitungen, die darüber berichteten, tragen das Datum 11. März 2009.“

15 weiße Rosen auf dem Mahnmal

Stella Holzäpfel und Leonie König, beide Mitglieder des Jugendgemeinderats, verlesen anschließend die Namen der Opfer – eine Aufgabe, die keine leichte ist. Abwechselnd nennen sie die Namen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und des Mitarbeiters der Klinik im Schloss, des Mitarbeiters eines Wendlinger Autohauses und seines Kunden, mit dem er gesprochen hat, als der Täter völlig willkürlich in den Verkaufsraum ging und zu schießen begann. Die Namen sind hier in Winnenden vertraut, die Erinnerungen an den 11. März 2009 kommen mehr und mehr zurück. „Hier weiß jeder, wo er an dem Tag gewesen ist“, sagt Renate Sanzenbacher, eine Stadträtin aus dem Ortsteil Höfen, und spricht aus, was viele Anwesende denken und fühlen, als sie zusammen mit Pfarrer Gerald Warmuth in das Vaterunser einstimmen.

15 weiße Rosen stehen auf dem Mahnmal, die Stiftung gegen Gewalt an Schulen hat einen Kranz daneben platziert. Sie ist aus dem Aktionsbündnis Amoklauf heraus entstanden und engagiert sich außer in Angeboten, die sich gegen Mobbing unter Schülern wenden, für eine Verschärfung des Waffenrechts. Die Pistole, mit der der 17-Jährige in Winnenden und Wendlingen tötete, gehörte seinem Vater. Der Sportschütze hatte sie statt in einem Tresor ungesichert in einem Wäscheschrank aufbewahrt, weshalb sein Sohn die Waffe mühelos an sich nehmen konnte.