Gefährliche Desinfektionsmittel Giftnotruf hat in Corona-Zeiten allerhand zu tun

Chemische Mittel zur Desinfektion haben mit der Corona-Krise verstärkt auch in privaten Haushalten Einzug gehalten. Es ist ein Trend mit Nebenwirkungen: Das Risiko von Vergiftungen steigt.
Freiburg - Eine steigende Zahl von Notrufen und Anfragen geht derzeit bei den Mitarbeitern der landesweit tätigen Vergiftungs-Informations-Zentrale in Freiburg ein. Mit der Corona-Krise hätten sich zudem die Themenschwerpunkte verändert, sagte die Leiterin der Einrichtung, Maren Hermanns-Clausen. Es gehe beim Giftnotruf nun häufiger als sonst um Desinfektionsmittel, Seifen, Geschirr- und Glasreiniger und ähnliche Substanzen. Am häufigsten seien Kinder betroffen. Haushaltsprodukte wie Reiniger oder Desinfektionsmittel würden von diesen getrunken oder gelangten in die Augen. Kleinkinder probierten in häuslicher Umgebung auch Arzneimittel und Pflanzenteile.
Die an der Uniklinik Freiburg angesiedelte Einrichtung ist für ganz Baden-Württemberg zuständig. Sie betreibt rund um die Uhr einen Giftnotruf. Seit Jahresbeginn wurden 1400 Anrufe mehr als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres verzeichnet, sagte Hermanns-Clausen. Die Corona-Krise sei nicht alleiniger Auslöser. Sie habe zur steigenden Zahl der Anrufe aber wesentlich beigetragen, vor allem durch eine Zunahme von Giftunfällen in privaten Haushalten. Die Zahl der Anrufe wegen Suizidversuchen und Drogenmissbrauch sei dagegen annähernd gleich geblieben.
Oft sind Kinder betroffen
„Wir spüren, dass die Menschen daheim bleiben und dass nun Mittel in den Haushalten sind, die es früher in dieser Menge dort nicht gab“, sagte die Medizinerin. Die Gefahr, dass Giftiges nicht korrekt verwendet werde oder in die Hände von Kindern gelange, sei so gestiegen: „Meist geht es um Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren, die Mittel eingenommen haben und so möglicherweise zum Notfall werden.“ In der Regel riefen die besorgten Eltern an. Anrufe wegen Desinfektionsmitteln seien in den vergangenen Wochen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 40 Prozent gestiegen, im April habe sich die Zahl sogar verdoppelt.
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Die Vergiftungs-Informations-Zentrale berät Bürger, aber auch medizinisches Personal vor allem aus Krankenhäusern und von Rettungsdiensten. Der Anteil der Bürger, die wegen Vergiftungsfällen anrufen, habe sich in der Corona-Krise deutlich erhöht, sagte die Leiterin. Zudem riefen diese nun häufiger in den Abend- und Nachtstunden an. Im vergangenen Jahr zählte der Giftnotruf den Angaben zufolge 28 500 Anrufe, zwei Drittel der Anrufer waren Laien. Nur in zwei Prozent der Fälle 2019 ging es um Desinfektionsmittel.
„Wer bei uns anruft, sollte die Packung des Mittels zur Hand nehmen“, sagte Hermanns-Clausen. Die Experten müssten genau wissen, um welches Produkt es sich handele. So könnten sie die Gefahr besser einschätzen und im Notfall schnell helfen.
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Bundesweit gibt es acht solcher Vergiftungsinformationszentralen. Arzneimittel und Haushaltsprodukte bilden nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit den Hauptanteil der Anfragen. Von Unfällen mit diesen Mitteln sind neben Kindern auch Ältere betroffen.
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