Auch an kleinen Kreuzungen kommen Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer oft nur schwer problemlos aneinander vorbei. Veraltete Vorschriften verhindern immer wieder pragmatische Lösungen.

S-Ost - Auf der Kreuzung Talstraße/Klingenstraße im Stuttgarter Osten sind bei Unfällen zwei Radfahrer verletzt worden. Deswegen haben Radaktivisten zu einem Flashmob – einer per Internet oder Smartphone organisierten Aktion im öffentlichen Raum – dort aufgerufen. Die Kreuzung ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert es ist, unterschiedliche Verkehrsteilnehmer und Verkehrsströme sicher aneinander vorbeizubringen – und wie schwierig es ist, die vorhandenen Straßenräume sinnvoll umzugestalten.

 

Der Flashmob

Zu der Aktion am Montag hatte die Initiative Radentscheid Stuttgart aufgerufen. Etwa 30 Minuten lang überquerten 30 Radfahrerinnen und Radfahrer die Talstraße von beiden Seiten der Klingenstraße bei grüner Ampel. Sie versuchten, die auf der Klingenstraße eingezeichneten Radfahrbereiche zu nutzen – sofern diese nicht durch wartende Autos blockiert waren oder überhaupt für diese Menge an Radfahrern ausreichten.

Die Unfälle

Am 14. November 2019 fuhr ein 65 Jahre alter Radfahrer auf der Klingenstraße von Gablenberg kommend bei grüner Ampel über die Kreuzung. Dabei wurde er von einem Kleinwagen überholt, der vor ihm abrupt nach rechts in die Talstraße abbog. Der 65-Jährige verhinderte durch eine Vollbremsung einen Zusammenstoß, stürzte aber und verletzte sich. Der Autofahrer fuhr weiter. Am 3. Dezember fuhr eine 39 Jahre alte Radfahrerin bei grüner Ampel über die Kreuzung in Richtung Gablenberg. Eine entgegenkommende Autofahrerin übersah sie. Die 39-Jährige wurde beim Zusammenstoß schwer verletzt.

Die Kreuzung

An der Kreuzung Tal-/Klingenstraße geraten täglich ganz unterschiedliche Verkehrsströme an- und ineinander. Die Talstraße ist zu den Hauptzeiten chronisch überlastet und stauträchtig. In der Straßenverkehrsordnung (StVO) heißt es in Paragraf 11, Absatz 1: „Stockt der Verkehr, darf trotz Vorfahrt oder grünem Lichtzeichen nicht in die Kreuzung oder Einmündung eingefahren werden, wenn auf ihr gewartet werden müsste.“ Daran halten sich viele Autofahrer nicht. Der Abschnitt der Klingenstraße von Gablenberg her ist im Berufsverkehr ein beliebter Schleichweg. Gerade Ortsfremde – aber nicht nur die – tun sich mit den Radspurmarkierungen auf der Klingenstraße schwer und ordnen sich auf dem Radstreifen als Rechtsabbieger ein. Andere missachten die Markierungen bewusst. Außerdem ist für Gaisburger und manche Gablenberger die Strecke über die Kreuzung der kürzeste Weg zu den Geschäften am Ostendplatz.

Die Radweg-Infrastruktur

Die Markierungen für Radfahrer an der Kreuzung sind in diesem Bereich des Stuttgarter Ostens die große Ausnahme. Nicht weit entfernt führt zwar die Hauptradroute 2 von der Innenstadt über die Landhausstraße in Richtung Hedelfingen, aber sie ist bisher nur Stückwerk. Im Stadtbezirk selbst wird im Rahmen des Sanierungsprogramms Soziale Stadt Gablenberg unter anderem über eine Bündelung des Radverkehrs in der Klingenstraße diskutiert. Radwege sind dort aber gar nicht möglich, weil das ganze Gebiet Tempo-30-Zone ist und deshalb dort keine Radschutzstreifen vorgesehen sind, wie erst im vergangenen Jahr ein Planer im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Kreuzungsbereiche an der Berg- und Klingenstraße sagte (StVO §45, 1c).

Die Lösungsansätze

Die Stadt wird sich die Kreuzung noch einmal genau anschauen und überlegen, wie die Verkehrssicherheit erhöht werden kann. Radaktivisten können sich getrennte Auto- und Radfahrampeln vorstellen oder eine farbliche Absetzung der Radstreifen. Im Gablenberger Sanierungsgebiet wird über den dortigen Steg über die Talstraße nachgedacht. Dieser Steg hat auf der Gablenberger Seite eine Rampe, auf der anderen Seite nur eine Treppe. Es soll geprüft werden, ob und wie die Kreuzung umgestaltet werden könnte – und ob auch ein neuer Steg für Fußgänger und Radfahrer denkbar wäre.