Die Stadt lässt vorbeugend gegen den Eichen-Schädling spritzen. Seine Haare lösen heftige Reaktionen aus.

Leonberg - Der Waldkindergarten musste wegen ihr umziehen, der Höfinger Musikverein sein Waldfest absagen, das Warmbronner Open Air stand gelegentlich auf der Kippe, in Schulhöfen wurden Bäume gefällt. 2006 löste sie sogar kreisweit einen Hubschraubereinsatz aus – die Raupe des Eicheprozessionsspinners.

 

Seit etwa zehn Jahren, immer im Mai, rückt die Stadt den gefährlichen Plagegeistern zu Leibe. „Die Bekämpfung findet zum Schutz der Bürger vorbeugend statt“, erläutert Holger Pullwitt. Er ist beim Tiefbauamt auch für die Bäume im städtischen Raum zuständig. Mit einer Hochleistungsspritze auf einem Pickup wird der Wirkstoff Bacillus thuringiensis bis zu 30 Meter hoch in die Kronen der Eichen verwirbelt. Der Wirkstoff wird von den Raupen gefressen. Diese verenden dann an einem Kristallprotein, das von dem Bazillus gebildet wird.

Schädling stammt aus Italien

Im Frühsommer 2005 sind die Raupen des Eichenprozessionsspinners hierzulande erstmals massenhaft aufgetreten. Die Tiere leben in Eichen. Sie wandern in Gruppen, wie eine Art Prozession, von den Nestern an den Stämmen zu den Blättern. Die Schmetterlingsart ist ursprünglich in Südeuropa beheimatet, hatte 2004 aber erstmals die Alpen überquert und sich in Süddeutschland ausgebreitet.

Der Eichenprozessionsspinner bevorzugt lichte Eichenwälder, sonnige Waldränder und Einzelbäume. „Das sind im Stadtgebiet gerade die Orte, an denen sich die Menschen öfter aufhalten – und darum müssen wir handeln“, sagt Pullwitt. Die Falter legen ihre Eier in den Kronen ab. Parallel zum Austrieb des Eichenlaubes schlüpfen die Raupen im Mai. Danach durchlaufen sie mehrere Entwicklungsstadien, wobei sich die gefährlichen Brennhaare ab dem dritten Stadium bilden.

30 000 Euro für Feuerwehr-Einsatz

Anfangs wurde die Feuerwehr gegen die Tiere eingesetzt, indem sie die Raupenprozessionen abfackelte. Allein in Leonberg kosteten diese Einsätze 30 000 Euro. Dann wurde 2006 im Landkreis in Absprache mit den Kommunen beschlossen, die gefürchteten Raupen kreisweit auf einer Fläche von 260 Hektar mit einem Pflanzenschutzmittel aus dem Hubschrauber heraus zu bekämpfen. Auf Leonberger Markung wurden 60 Hektar Wald überflogen.

Verwendet wurde damals ein Mittel, das verhinderte, dass sich die Raupen häuten. Daran sind sie verendet. Sie durchlaufen fünf bis sechs Entwicklungsstadien, bis sie etwa fünf Zentimer lang sind und sich verpuppen – zum Wachsen müssen sie die starre Haut abwerfen.

Bakterium schädigt nur den Schädling

„Das jetzige Vorgehen gegen die Raupen ist in all den Jahren zu 95 Prozent erfolgreich gewesen“, sagt Pullwitt zufrieden. In diesem Jahr hätten beste Wetterbedingungen geherrscht. „Die Thermik war gut und so konnten wir es an einem Tag schaffen, die rund 30 problematischen Standorte zu spritzen“, erläutert Pullwitt. Das Mittel habe keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren, außer auf frei fressende Schmetterlingsraupen. „Die Raupen können von Vögeln oder am Boden von Igeln problemlos gefressen werden“, erläutert der Fachmann. Im Einsatz waren die Schädlingsbekämpfer im Stadtpark, am Waldfriedhof, am Engelberg, in der Feinau, in Höfingen, Gebersheim und Silberberg, in Warmbronn bei der Schule und der Staigwaldhalle, an Waldrändern, Friedhöfen und Spielplätzen. Überall dort, wo Eichen auf städtischen Grundstücken stehen.

Trotz dieser Aktion ist die Gefahr nicht ganz gebannt. Problematisch bleibt es immer dort, wo die Raupen auftreten. Denn die alten Gespinstnester und Brennhaare können weiterhin aktiv sein. Diese lösen allergische Reaktionen aus, weil sie ein sogenanntes Eiweißgift enthalten. In den Atemwegen und in der Lunge verursachen sie asthmaähnliche Symptome, Atemnot, Bronchitis, Schwellung der Nasenschleimhaut. Auch starker Juckreiz kommt vor.