Eine amerikanische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg versetzt Böblingen in helle Aufregung. Rund tausend Menschen müssen ihre Häuser verlassen.

Böblingen - Rund um die Geleener-, Amsterdamer und Pontoiser Straßen irrten am späten Montagabend die Menschen umher. Viele versuchten, einer Polizeisperre auszuweichen, um irgendwie noch einmal kurz in ihre Wohnung zu gelangen. Doch die Beamten blieben hart. Wegen einer 50 Kilogramm schweren amerikanischen Fliegerbombe auf einem Acker unweit der Genker Straße wurden die Häuser im Umfeld evakuiert. Rund 850 Menschen mussten vorübergehend anderweitig unterkommen.

 

Eine 65-Jährige etwa wollte noch einmal nach Hause, um nach ihrer Familie zu schauen. Unverrichteter Dinge musste sie den Weg in die Kongresshalle antreten, die als Sammelunterkunft eingerichtet worden war. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, meinte sie verängstigt. Für die Menschen, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkamen, wurden Shuttle-Busse eingesetzt, die sie in das improvisierte Abendquartier brachten.

An Krücken in die Kongresshalle

Rund 60 Polizisten waren im Einsatz, die Zufahrtswege zu Häusern waren mit weiß-roten Bändern und von Fahrzeugen der Polizei abgesperrt. Auch die Feuerwehr half mit 40 Kräften mit. Krankentransporte des Roten Kreuzes (DRK) brachten die kranke und gehbehinderte Bewohner aus dem Sperrgebiet, darunter ein älterer Mann, der von einem Sauerstoffgerät versorgt werden musste. Von seiner Tochter wurde der 89 Jahre alte Franz Rehm aus der Amsterdamer Straße direkt vor die Kongresshalle gefahren, wo er an Krücken aus dem Fahrzeug stieg. „Ich habe einen Bombenfund schon einmal erlebt, in Freiburg“, berichtete er, in Böblingen sei er bisher davon verschont geblieben.

Vor dem Eingangsportal des Kongresshalle wurde der Senior dann vom Geschäftsführer Georg Sommer höchstpersönlich begrüßt. Der Hallenchef spielte sozusagen den Portier und half den Gehbehinderten „in die gute Stube Böblingens“. Zunächst musste auch Franz Rehm die Eingangskontrolle hinter sich bringen, wo sämtliche Gäste erfasst wurden. Über eine zentrale Stelle wurde die Daten der Menschen erfasst, um sicherzugehen, dass auch jeder sein Haus verlassen hatte. Die ganze Aktion wurde von einer am Nachmittag eilends gebildeten 22-köpfigen Führungsgruppe geleitet, bestehend aus Vertretern der Stadt, des Landratsamts, der Polizei, Feuerwehr, des DRK und des Katastrophenschutzes.

Geduld ist gefordert

Im Württembergsaal, der für rund 800 Menschen Sitzplätze bietet, lagen mit Beginn der Evakuierung Backwaren zur Stärkung bereit. Durst musste ebenfalls keiner haben. Fast die halbe Stadtverwaltung war vor Ort, um die Menschen zu versorgen.

Erst wurde bekannt gegeben, die Bombe solle zwischen 20 und 21 Uhr vom Kampfmittelbeseitigungsdienst entschärft werden. Wenig später hieß es: „Entschärft wird nach 21 Uhr, wenn die Evakuierung abgeschlossen ist.“ Bis gegen 22 Uhr musste die Polizei immer noch Menschen aus ihren Häusern holen. Um 22.27 Uhr war die Bombe schließlich entschärft.