Ein Stacheldraht hat den Waldkauz Jule schwer am Flügel verletzt. In der Tierstation Arche in Berglen ist er wieder gesund gepflegt worden – und wird bald ausgewildert. Doch vorher muss er das Fliegen noch trainieren.

Berglen - Dass Jule überleben würde – darauf hätte Karin Sailer nicht gewettet, als sie den Waldkauz zum ersten Mal gesehen hat. Schwer verletzt hing die Eule mit einem Flügel im Stacheldraht einer umzäunten Weide zwischen Rudersberg-Lindental und Necklinsberg. Dort hatte das Ehepaar Jakob aus Necklinsberg den stark blutenden, durchnässten Vogel eines Morgens gegen 8 Uhr auf dem Weg zur Arbeit entdeckt und Karin Sailer alarmiert. Sie päppelt in der Tierstation Arche in Berglen mit viel Sachkenntnis und großer Hingabe verletzte Wildtiere auf, um sie dann möglichst wieder auszuwildern.

 

„Zum Glück habe ich immer eine Schere im Auto“, sagt Karin Sailer, die nach dem Anruf des Ehepaars sofort zur Unglücksstelle gefahren ist. Dort fand sie ein entkräftetes Tier vor, das mit seinem linken Flügel im Draht hing. „Die Federn waren komplett mit dem Stacheldraht verknotet und am Boden war schon eine Blutlache“, erzählt Karin Sailer über das gefiederte Häufchen Elend. „Ich dachte, sie verblutet.“ Die Tierfreundin hat den Waldkauz aus dem lebensgefährlichen Draht herausgeschnitten und nach Hause mitgenommen, wo es ihr gelang, die Blutung am Flügel zu stillen. Jule hat Schmerzmittel und Antibiotika verabreicht bekommen, außerdem eine Portion Fleisch, die Karin Sailer ihr in den Kropf bugsiert hat.

Waldkauz Jule mag keine Mäuse

„Einen Tag später ist sie tatsächlich schon wieder auf den Füßen gestanden“, erzählt Karin Sailer, die sagt, Jule habe eine Kämpfernatur. Die üble Wunde am Flügel hat Karin Sailer wieder und wieder mit Calendula-Tinktur ausgespült und auch die beschädigten Federn haben sich inzwischen erholt. „In der Mauser bekommt sie wieder neue“, versichert Karin Sailer. Inzwischen kennt sie auch Jules kulinarische Vorlieben gut: „Küken und Rinderherz mag sie gerne, aber Mäuse frisst sie nicht.“

Der etwa 40 Zentimeter große Vogel mit dem schönen, braun-beige gemusterten Federkleid ist mittlerweile wieder so fit, dass Karin Sailer ihn gerne in die Freiheit entlassen würde. Allerdings muss der Waldkauz nach der längeren Zwangspause erst wieder Muskeln an den Flügeln aufbauen, um Fliegen zu können. Deshalb legt Jule vor dem Start in die Selbständigkeit noch eine kleine Zwischenstation in Karlsdorf-Neuthard bei Karlsruhe ein. Dort betreibt der Deutsche Falknerorden eine Auffangstation für verletzte Greifvögel. „In einer der Volièren dort kann Jule bleiben, bis sie wieder gut fliegen kann. So haben wir kein Risiko“, sagt Karin Sailer.

Stacheldraht ist eine gefährliche Falle

Ihre große Sorge ist allerdings, dass sich wie Jule weitere Vögel in dem Stacheldraht verfangen könnten. Bereits im vergangenen Jahr hatte Sailer an eben jener Weide eine verletzte Waldohreule befreit, die aber wegen ihrer schweren Verletzungen nicht überlebte. „Stacheldraht ist besonders gefährlich, denn er verursacht brutale Verletzungen, die schlimmer sind als beispielsweise glatte Schnittwunden.“

Die untere Naturschutzbehörde habe sie bereits über die tödliche Falle für Tiere informiert, sagt Karin Sailer, die sogar bereit wäre, die Kosten für eine Umzäunung der Weide mit einem anderen Draht zu übernehmen: „Aber jetzt sind schon drei Wochen vergangenen und der Stacheldraht ist immer noch dran.“

Was man über den Waldkauz wissen sollte

Eulenart
: Lichte Laub- und Mischwälder sind der bevorzugte Lebensraum des Waldkauzes. Der Vogel wird etwa 40 Zentimeter groß und bis zu 600 Gramm schwer und ist dank seines grau- oder rotbraunen Gefieders gut getarnt. Er kann ein Alter von bis zu 20 Jahren erreichen.

Nahrung
: Waldkäuze gestalten ihren Speisezettel recht flexibel – je nach Angebot: sie fressen Mäuse, Maulwürfe und Ratten, aber auch Vögel, Kröten und Insekten – sogar Regenwürmer gehören zum Kauzmenü. Kurz vor Sonnenuntergang machen sich die Vögel auf die Nahrungssuche.

Ruf:
Der „huu-hu-huhu“-Ruf des Waldkauzes kommt oft in Filmen und Hörspielen zum Einsatz, wenn es gruselig wird. Der Kontaktruf „ku-witt“ löste früher Angst und Aberglauben aus – er wurde als „komm mit“ und Lockruf ins Reich der Toten interpretiert. Käuze galten auch als Todes- und Hexenvögel.