Die neue baden-württembergische Landesregierung wird im Offenburger Gefängnis bald keine Sicherheitsfirma mehr beschäftigen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Offenburg - Die Koalitionsvereinbarung der grün-roten baden-württembergischen Landesregierung ist eindeutig: "Wir treten allen Bestrebungen entgegen, Aufgaben der Justiz zu privatisieren. Eine Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens und des Strafvollzugs lehnen wir strikt ab." Die Konsequenz, die daraus folgt ist, dass eine entsprechende Maßnahme der Vorgängerregierung rückgängig gemacht wird: " Wir werden deshalb die Verträge zur Teilprivatisierung der Justizvollzugsanstalt Offenburg zum frühest möglichen Zeitpunkt auflösen und diese verhängnisvolle Fehlentwicklung stoppen."

 

Erst vor zwei Jahren ist die für 80 Millionen Euro am Stadtrand von Offenburg erbaute neue Justizvollzugsanstalt (JVA) in Betrieb genommen worden. Das moderne Gebäude bietet knapp 500 Plätze, 80 davon für Untersuchungshäftlinge, 360 für Strafgefangene und 60 in der sozialtherapeutischen Abteilung. Als Erste in Baden-Württemberg und als Dritte bundesweit wird die Ortenauer Justizvollzugsanstalt teilweise von privaten Sicherheits- und Servicekräften betrieben, von Wachleuten, Betreuern, Küchen- und medizinischem Personal.

"Public Private Prison"

Das gilt für 40 Prozent der insgesamt anfallenden Tätigkeiten, ausgenommen ist "alles, was mit der Ausübung von Zwang zu tun hat", betonte der Leiter der Offenburger Justizvollzugsanstalt Hans-Peter Wurdak vor der Einweihung. Auch bei der Bewachung sind private Sicherheitsleute dabei, zu den 120 staatlich bestellten Justizvollzugsbediensteten kommen 100 private, die von der Essener Sicherheitsfirma Kötter gestellt werden.

Das vom früheren Justizminister Ulrich Goll (FDP) in die Wege geleitete Offenburger Projekt könnte man ironisch zugespitzt "Public Private Prison" nennen. Es führt das liberale Dogma "weniger Staat" auch an den Kernbereich staatlichen Handelns in der Justiz heran - angeblich auch, um rund eine Million Euro Kosten während der vertraglichen Laufzeit von fünf Jahren einzusparen. Personalkosten sind das vor allem, denn die privaten Dienstleister zahlen natürlich weniger als der Staat. Ob der Vertrag mit der Firma Kötter vorzeitig gekündigt oder fristgerecht erst 2014 nicht verlängert wird, kann derzeit niemand sagen.

Auch der neue baden-württembergische Justizminister Reiner Stickelberger (SPD) hat derzeit anscheinend noch andere Probleme zu regeln. "Die Koalitionsvereinbarung gibt Ziele vor, die in der kommenden Legislaturperiode umzusetzen und zu konkretisieren sind. Gerade bei etwas komplexeren Vorhaben bedarf es hierzu eines ausgearbeiteten "Fahrplans" für das weitere Vorgehen. In den wenigen Tagen meiner seitherigen Amtstätigkeit war es naturgemäß bislang nicht möglich, einen solchen Zeitplan zu erstellen", lässt er schriftlich durch seine persönliche Referentin Edda Greiner ausrichten.

Man muss abwarten und umsetzen, was dann "oben" entschieden wird

Dass Reiner Stickelberger zur Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben eine skeptische Einstellung hat, ist bekannt. "Gleichwohl gilt: pacta sunt servanda." (Verträge muss man einhalten). Der Justizminister aus Lörrach will sich aber in Offenburg so bald wie möglich "die Verträge im Einzelnen ansehen und ein Bild vor Ort machen". Dort muss man derweil abwarten und schlussendlich umsetzen, was dann "oben" entschieden wird. 

"Wir wissen auch nicht mehr als das, was in der Koalitionsvereinbarung steht", sagt Pressesprecherin Tina Scholz. Man kennt die kritische Position des neuen Ministers. Schließlich war der als rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion maßgeblicher Mitautor einer Kleinen Anfrage am 6.Mai vergangenen Jahres, in der von erheblichen Problemen mit den privaten Sicherheitskräften, von einer hohen Fluktuation bei Dienstleister Kötter, von niedrigen Löhnen und mangelnder Ausbildung die Rede war.

Die grün-rote Regierung hat eine eigene Sicht

Das Justizministerium von FDP-Mann Goll hatte damals in seiner Antwort darauf einige "weniger gravierende Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen" eingeräumt, die Entlohnung als "Geschäftsangelegenheit des privaten Dienstleisters" ausweichend umschifft und ansonsten "die Sicherheit der Anstalt tatsächlich beeinträchtigende Mängel" verneint. In der Offenburger Anstalt selbst sieht man die "Anfangsschwierigkeiten" als mittlerweile überwunden an, der Betrieb habe sich "eingespielt".

Der private Dienstleister Kötter Justizdienstleistungen GmbH & Co. KG würde es natürlich "bedauern", wenn die Teilprivatisierung in Offenburg rückgängig gemacht würde. In einer schriftlichen Stellungnahme lässt das Unternehmen erklären, dass es "eine erfolgreiche Auftragsabwicklung" vorweisen könne und geht davon aus, dass Land und Unternehmen den Vertrag, "wie er geschlossen wurde, gemeinsam erfüllen" werden. Ihre "nichthoheitsrechtlichen Hilfs-, Versorgungs- und Betreuungsaufgaben" würden den Staat entlasten und ihm ermöglichen, "sich auf die Kernaufgaben zu fokussieren".

Die grün-rote Regierung hat darüber wohl ihre eigene Sicht. Nicht nur der Strafvollzug, auch die erfolgte Auslagerung der Bewährungshilfe auf den gemeinnützigen Träger Neustart GmbH soll mit Blick "auf Kündigungs- beziehungsweise Optimierungsmöglichkeiten" durchleuchtet werden. "Justiz und Rechtspflege zählen zu den Kernaufgaben staatlicher Hoheitsausübung" heißt es im Koalitionsvertrag, deshalb dürfe sie "auch nicht in private Hände gegeben werden".

Privatfirma stellt Wachleute, Hausmeister, Küchenpersonal

Dienstleister: Der Security-Dienstleister Kötter mit Sitz in Essen ist bereits 1934 als Westdeutscher Wach- und Schutzdienst gegründet worden. Die bundesweit tätige Gruppe ist nach eigenen Angaben mit mehr als 90 Niederlassungen an über 50 Standorten in Deutschland vertreten und erwirtschaftete im Jahr 2010 mit seinen bundesweit 13.500 Mitarbeitern einen Gruppenumsatz von 303 Millionen Euro.

Personal: Kötter stellt Personal für Industrie, Handel und Kreditwesen, verleiht Wachleute, Gärtner, Hausmeister oder Museumswärter, Geldtransporteure oder Garderobieren. Sogar Justizvollzugspersonal in mehreren Bundesländern. Zum Sicherheitsbeirat von Kötter zählen unter anderem der „Held von Mogadischu“, General a. D. Ulrich Wegener und Peter Frisch, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.