Die Haftanstalten des Landes beschäftigen seit längerem Insassen in hauseigenen Handwerksbetrieben. Doch nun gibt es Auftragsstaus und Nachwuchsmangel.

Heimsheim - „Fahren Sie bitte vor“, schallt es über den Gefängnisparkplatz in Heimsheim. Unter den wachsamen Augen zweier Aufseher rollt das vier Meter hohe, blaue Schiebetor zur Seite und gibt so den breiten Weg in den Hof des Geländes frei. Ein großer Lastwagen setzt sich in Bewegung und rollt langsam in das Innere der Anstalt. Nach einer kurzen Inspektion direkt hinter den Gefängnismauern fährt er weiter zur Warenannahme. Dort warten bereits Häftlinge mit einem Gabelstapler und mehreren Hubwagen, um die frischen Holzplanken auszuladen, die sie in den nächsten Tagen zu Möbeln und Vogelnistkästen weiterverarbeiten werden.

 

In Heimsheim, so wie in den meisten anderen Gefängnissen Baden-Württembergs, arbeiten die Insassen im Rahmen des Vollzuglichen Arbeitswesens (VAW) für gefängniseigene Handwerksbetriebe. Die Arbeitsprojekte der einzelnen Haftanstalten wurden im Jahr 2001 vom Land unter dem Begriff VAW in einem Unternehmen zusammengefasst. Das Ziel des Projekts ist es, den Häftlingen durch regelmäßige Arbeit den Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu erleichtern und sie schon während ihrer Haft an einen geregelten Tagesablauf zu gewöhnen. Daher arbeiten 4 750 Insassen landesweit für gewöhnlich 36 Stunden pro Woche in den Werkstätten der Gefängnisse. Das Gehalt, zwischen 200 und 400 Euro monatlich, zahlen die Häftlinge zur Hälfte auf ein eigenes Konto außerhalb des Gefängnisses. Den Rest dürfen sie für Zigaretten und Lebensmittelwünsche ausgeben.

Möbel, bedruckte Textilien und Nistkästen

Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen bestellen Produkte aus dem Knast: Büromöbel, maschinell bedruckte Textilien oder Vogelnistkästen. An Aufträgen mangelt es den Haftanstalten nicht. Im Gegenteil: Seit einigen Jahren fehle es oft an Arbeitskräften, um alle Anfragen zu bearbeiten, klagt Lars Klapper, der Geschäftsführer des VAW Heimsheim. „Leider“, sagt er „haben wir mittlerweile vielerorts einen Auftragsstau, obwohl wir die Bestellungen mit unserer Ausstattung eigentlich schneller abarbeiten könnten“. Dass Aufträge länger liegen bleiben, liege unter anderem daran, dass die Mehrzahl der Häftlinge lieber für die sogenannten Unternehmerbetriebe arbeitet, denen das Gefängnis als erweiterte Werkbank dient.

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) stellt dabei Firmen aus der freien Wirtschaft ihre Räumlichkeiten und Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Unternehmen verlagern einzelne Produktionsschritte in die Gefängnisse und bezahlen Insassen nach bearbeiteter Stückzahl. Den Akkordlohn bevorzugen viele Häftlinge, weil sich damit mehr Geld verdienen lässt, als mit dem niedrigen Stundenlohn, den sie in den gefängniseigenen Werkstätten bekommen. Das ist ein Grund, warum es den Eigenbetrieben oft an Arbeitskräften mangelt.

Die Hälfte der Ausbildungsplätze ist nicht besetzt

„Eine weitere Herausforderung für uns ist die mangelnde Vorbildung der Insassen“ sagt Geschäftsführer Klapper. Die Werkstätten können ihre räumlichen Kapazitäten nicht voll ausschöpfen, weil sich der Bildungsgrad der Häftlinge im letzten Jahrzehnt massiv verschlechtert hat. Dadurch kommen von vornherein weniger Insassen überhaupt für die Arbeit in den Eigenbetrieben infrage. „Mittlerweile haben die Wenigsten hier einen Schulabschluss“, erklärt er. Für die Arbeit in der Schreinerei oder Schlosserei des Hauses müsse man aber zumindest die grundlegenden Rechenarten beherrschen. Außerdem kommt laut Klapper erschwerend hinzu, dass grob geschätzt 70 Prozent der Insassen Deutsch nicht als Muttersprache sprechen. Das mache die Verständigung zwischen Vorarbeitern und Häftlingen komplizierter.

Johannes Schmidt, ein Meister im Ausbildungsbetrieb der JVA Heimsheim, pflichtet ihm bei: „Das Angebot ist groß, aber es wird zu selten genutzt. Wir haben in der Kunststoff- und Metallverarbeitung Kapazitäten für sechs Auszubildende, konnten aber nur drei Stellen davon besetzen“. So bleiben auch Ausbildungsplätze frei, weil es den Gefangenen oft an Deutschkenntnissen und schulischer Vorbildung fehlt.

Das Land macht 2,1 Millionen Euro Gewinn

Trotz der Entwicklungen der letzten Jahre bleibt die Arbeit der Gefangenen für das Land ein lohnendes Geschäft. Die 18 geschlossenen Strafanstalten in Baden-Württemberg vertreiben ihre Produkte hauptsächlich auf Bestellung im Internet und haben so im Jahr 2016 gemeinsam rund 33,5 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Davon blieb ein Gewinn von 2,1 Millionen Euro. Einen Teil davon investieren die Gefängnisse direkt in neue Produktionsanlagen. Der Rest fließt in den Haushalt des Justizministeriums. So tragen die Gefangenen - wenn auch nur zu einem kleinen Teil – die Kosten ihrer Haft selbst mit.