Bisher haben sich die pflanzlichen Schmarotzer nur auf Apfelbäumen ausgebreitet. Ein Streuobstexperte aus Filderstadt hat nun Misteln im Birnbaum entdeckt. Forscher aus Hohenheim interessieren sich bereits für das Phänomen.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Filderstadt - Walter Hartmann schlägt Alarm: Der Filderstädter Biologe und Obstzüchter hat bei seinen Spaziergängen auf den Streuobstwiesen etwas entdeckt, was er noch nie zuvor gesehen hat: „Misteln auf einem Birnbaum“, berichtet er. Dass sich das parasitische Gewächs gerne und immer mehr auf Apfelbäumen verbreitet, ist bekannt – und wird auch bekämpft, so gut es eben geht. Aber dass Misteln nun auch Birnbäume anzapfen, das ist neu. „Birnbäume haben sowieso schon Probleme“, sagt Hartmann, „beispielsweise den Birnenverfall“. Diese Krankheit sei tödlich für den Birnenbaum, erklärt der Experte.

 

Hartmann vermutet, dass die Misteln auf dem Birnbaum gelandet sind, so wie sie sich auch auf den Apfelbäumen verbreiten – über Vögel, die die Pflanzen essen und im Flug wieder ausscheiden. Jetzt sei Handeln geboten, erklärt der Experte: „Wenn man nichts macht, wird das eine Katastrophe.“

Ist ein Baum von Misteln befallen, stirbt er

Denn ist ein Baum von Misteln betroffen, macht der Schmarotzer ihn krank, der Baum stirbt nach einigen Jahren ab. Darum sind Besitzer von Streuobstwiesen auch stets angehalten, ihre Bäume zu pflegen und zu verhindern, dass die Misteln sich überhaupt verbreiten können.

Die Sorge um die Zukunft der Obstbäume ist durchaus berechtigt – und auch im Umweltreferat der Stadt Filderstadt angekommen. „Wir nehmen das sehr ernst“, sagt Simone Schwiete, die gemeinsam mit Claudia Arold das Umweltreferat leitet.

Arold sei extra vor Ort gegangen und habe sich den betroffenen Birnbaum angesehen. „Wir werden jetzt mit dem Grundstückseigentümer Kontakt aufnehmen.“ Die Mistel solle entfernt werden. Das werde zwar nicht ganz einfach, weil sie recht weit oben im Baum sitze. Aber es müsse erledigt werden: „Wir werden das weiterhin ernsthaft verfolgen“, sagt Schwiete. „Wir wissen ja, dass sich die Misteln sehr schnell verbreiten.“ Darum organisiert die Stadt auch regelmäßig Schnittaktionen, bei denen die befallenen Bäume von den Schmarotzern befreit werden. „Das haben wir Anfang 2020 zuletzt gemacht“, berichtet Schwiete. Aufgrund der Coronapandemie habe man danach die Schnittaktionen ausgesetzt. „Aber wir sind dran“, betont Schwiete, „die Schnittaktion soll so bald wie möglich wieder stattfinden“. Das befürwortet auch Walter Hartmann. „Das macht man ja draußen“, sagt er, „genügend Abstand kann man auch halten. Trotz Pandemie sollte es kein Problem sein, die Aktion durchzuführen.“

Die Uni Hohenheim will dazu forschen

Dass die Misteln jetzt auch auf Birnbäumen sitzen und nicht mehr nur auf Apfelbäumen, hat bereits das Interesse von Forschern an der Universität Hohenheim geweckt. „Die Mistelproblematik ist ja generell beachtenswert und schon lange Thema“, sagt der Juniorprofessor für Pflanzenökologie, Andreas Schweiger. Auch der Professor Klaus Schmieder vom Fachgebiet Landschaftsökologie und Vegetationskunde in Hohenheim ist beteiligt. „Wir wollen begleiten, wie es mit den Misteln auf dem Birnbaum weitergeht“, erklärt Klaus Schmieder, beispielsweise auch, ob sie sich ähnlich schnell verbreiten wie diejenigen auf Apfelbäumen und ob die Effekte bei den befallenen Bäumen ähnlich sind.

Walter Hartmann schätzt, dass bereits mehr als 60 Prozent aller Apfelbäume von Misteln befallen sind. Kümmere sich ein Streuobstwiesenbesitzer nicht um seine Bäume, hätten die Misteln leichtes Spiel, sich auch auf die umliegenden Streuobstwiesen auszubreiten. Das Ziel sei es, Ähnliches bei den Birnbäumen zu verhindern.