Wie sicher ist die Ernährung der Weltbevölkerung? Pflanzenschädlinge wie Weizen-Rostpilze stellen eine große und wachsende Gefahr für die Versorgung von Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln dar.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

 
Herr Professor Vögele, Rostpilze breiten sich weltweit aus und bedrohen die Versorgung mit Getreide, vor allem Weizen. Ist die Gefahr für die Welternährung real?
Wir haben in wichtigen Getreidekulturen Rostpilz-Erkrankungen – außer beim Reis, auch beim Mais sind sie eher unbedeutend. Aber beim Weizen, der Gerste und Sojabohne sind Rostpilze die wesentlichen Pathogene.
Prof. Ralf T. Vögele. Foto: Universität Hohenheim
Ist die Bedrohung durch Krankheitserreger überall auf der Welt gleich groß?
Das ist nach Weltreligionen gestaffelt. In Deutschland haben wir mit Rostpilzen selten Probleme. Braunrost ist in der Vergangenheit aufgetreten, aber nicht nennenswert. 2014 gab es allerdings einen hochvirulenten Stamm vom Gelbrost. Der hat alles platt gemacht – ein hundertprozentiger Ernteausfall bei all den Landwirten, die nicht rechtzeitig gespritzt haben. Momentan sieht es so aus, dass wir durch die Resistenzzüchtungen und durch Fungizid-Einsatz das Problem halbwegs unter Kontrolle halten können.
Das hört sich nach Entwarnung an.
Nein, es ist nur eine Frage der Zeit. Wir hatten beim Schwarzrost 1999 den Fall, dass in Afrika, in Uganda ein Rostpilz-Stamm aufgetreten ist, der sämtliche Resistenzgene, die weltweit im Weizen verbaut sind, überwunden hatte. Der Stamm hat sich glücklicherweise nur langsam ausgebreitet. Wenn er eine schnellere Ausbreitung gezeigt hätte, dann wäre das zu einem großen Problem geworden.
Wie ist der derzeitige Stand bei diesem Schwarzrost mit Namen Ug99?
Mittlerweile sind 17 Jahre vergangen. Es sind Resistenzen gegen Ug99 gefunden worden. Vor allem in Amerika forscht man, weil man dort ein historisch ganz anderes Verhältnis zu Rostpilzen hat als in Deutschland. In den 1920er bis 1950er Jahren gab es in den USA verheerende Epidemien. Durch Resistenzzüchtungen und entsprechende Pflanzenschutz-Programme hat man das unter Kontrolle gebracht. So dass derzeit in den USA Gelbrost nicht Schwarzrost das viel größere Problem ist. In Mitteleuropa und traditionell in China genauso.
Das Ganze erinnert an den Wettlauf zwischen Hase und Igel. Der Rostpilz ist immer schon da, der Mensch läuft ihm hinterher. Ist das Wettlauf, den die Menschheit verlieren kann?
Sie könnte ihn verlieren können. Ug99 war ein Schuss vor den Bug. Die Lehre daraus ist, dass wir unsere Strategie überdenken müssen. Es gibt diverse Initiativen wie die Borlaug Global Rust Initiative (BGRI).

(Die Red.: Der BGRI hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedrohung der globalen Nahrungsmittelversorgung durch Rostpilze wie Braun- Gelb- und Schwarzrost bei der Weizenproduktion zu verringern. Anlass war das Auftreten des Ug99-Stammes von Weizenrost in Uganda 1999 – deshalb auch die Abkürzung Ug99. Der BGRI wurde zu Ehren des Pioniers der Grünen Revolution und Friedensnobelpreisträgers Norman Borlaug benannt, der die Initiative 2005 gründete.)

Weizenzüchter verwenden bei der Weizenzüchtung vor allem vertikale Resistenzgene, die sie einkreuzen. Das sind dominante Gene, die 100 Prozent Resistenz gegen bestimmte Rassen bedingen. Das Verfahren ist einfach umzusetzen. Das Problem ist nur, dass diese Gene nicht stabil sind. Sie werden durch die Pathogene relativ schnell überwunden.
Das heißt?
Normalerweise haben Resistenzgene eine Halbwertszeit von 5 bis 10 Jahren. Aber wir haben auch schon Resistenzgene in der Vermehrungsphase des Weizens verloren – also schon im ersten Anbaujahr. Man muss also neue Wege gehen und andere Ansätze im Pflanzenschutz zu verfolgen. Da fangen die Weizenzüchter jetzt langsam an.
Und dieser dritte Weg wurde bisher hauptsächlich beschritten?
Bisher war die Züchtung größtenteils auf das Einkreuzen von Resistenzgenen aus Wildweizensorten oder anderen Getreidearten beschränkt. Das ist längerfristig nicht mehr machbar. Inzwischen denkt man über andere Resistenzformen nach, die schwerer zu handhaben sind und mehrere Gene als Grundlage haben.
Was bedeutet das konkret?
Man versucht mehrere Gene zusammenzubringen. Jedes Gen für sich hat eine geringe Resistenz. Aber wenn man mehrere Gene wie bei einer Pyramide oder bei einem Tandem zusammenbringt, erhöht das die gesamte Resistenz. Durch die Entschlüsselung des Weizen-Genoms und durch neue Technologien ist die gezielte Änderung des Erbgutes schneller machbar.