Gefeierter Stuttgarter Gitarrist Christoph Neuhaus schreibt Songs fürs Leben

Christoph Neuhaus vor seinem Auftritt am Hintereingang des Jazzclubs Bix Foto: Wolf Peter Steinheisser

Christoph Neuhaus, stiloffener Gitarrist aus Stuttgart und Landesjazzpreisträger 2021, hat mit seiner Band Ramblin Bird im Jazzclub Bix gespielt – unter schwierigen Umständen und großem Jubel.

Farbenfroh leuchtet das Gitarrenspiel von Christoph Neuhaus, elektrisch wie akustisch, mit Plektrum und beim Fingerpicking. Unter seinen Händen wird das Instrument zum Medium für Geschichten aus dem Leben, erfüllt von Wendungen und Emotionen. Neuhaus ist in vielen Stilen zu Hause, er spielt im Trio lupenreinen Jazz, im Quintett Fusion-Sound – oder ausgeklügelten Singer/Songwriter-Sound wie mit seiner jüngsten Band Ramblin Bird.

 

Neuhaus vereint Folk, Blues und Jazz mit der Energie von Funk und Soul

Deren selbstbetiteltes Debütalbum ist 2021 erschienen. Mit den Frauenstimmen von Pauline Ruhe und Franziska Schuster, Landesjazzpreisträgerin 2020, vereint die Band Folk, Blues und Jazz mit der Energie von Funk und Soul. Das bluesige „Ramblin Bird“ bleibt sofort im Ohr hängen, „Silent Observer“ ist ein atmosphärisch dichter Song, Neuhaus schlägt die Akustikgitarre mit Flamenco-Feuer. Eine eigentümliche Stimmung schwebt sehr passend über „Peculiar“ („Seltsam“), ein fettes Bluesrock-Riff prägt „Walk up fall down“, „View“ ist eine federleicht schwebende Folk-Hymne.

„Ich fand die große Palette schon immer gut“, sagt Neuhaus im Interview. „Ich kann vielen Stilen etwas abgewinnen. Ich finde es spannend, zu ihrem Kern vorzudringen und zu erforschen, was sie besonders macht.“ Als wichtigen Einfluss nennt er Frank Kuruc, bei dem er an der Musikhochschule Mannheim studiert hat: „Er hat mir vermittelt, wie bereichernd es ist, aufgeschlossen zu sein. Ich höre alles von Louis Armstrong bis Snarky Puppy, von Joni Mitchell bis Punch Brothers. Das jage ich durch meinen Filter, und mein Hauptkriterium beim Komponieren ist: Berührt mich das?“ Ganz in Jazztradition hat die Band das Album live eingespielt, was man auch hört. „Die beteiligten Musiker geben dem Genremix von Ramblin Bird seine Identität“, sagt Neuhaus.

120 Zuhörer im Bix klatschen und johlen

2021 hat er den Jazzpreis des Landes Baden-Württemberg bekommen – in einem Coronajahr, in dem er nur begrenzt feiern konnte. Es gibt also etwas nachzuholen, und das Konzert von Ramblin Bird am Samstag im Stuttgarter Jazzclub Bix ist ausverkauft: 120 Zuschauer lassen sich dankbar mitreißen, klatschen, wippen und johlen.

Die Band wirkt spielfreudig und homogen – und das ist ein kleines Wunder angesichts der Umstände. Von der Urbesetzung ist nur der Kontrabassist Sebastian Schuster dabei, Landesjazzpreisträger 2017. „Unser Schlagzeuger Christian Huber ist vor zwei Wochen bei einem Unfall auf der A 8 ums Leben gekommen“, sagt Neuhaus im Bix. Nach reiflicher Überlegung seien sie zu dem Schluss gekommen, das Konzert dennoch zu spielen: „Christian hätte nicht gewollt, dass das, was wir gemeinsam aufgebaut haben, den Bach runtergeht.“

Sonderapplaus für den Drummer Daniel Mudrack

Dafür gibt es Sonderapplaus, der auch dem explosiven Drummer Daniel Mudrack gilt. Er interpretiert die Songs auf seine Weise und wirkt dabei, als hätte er nie etwas anderes gespielt. „Christians Platz bleibt belegt, Daniel spielt ganz anders, und das ist auch nötig, man kann das nicht kopieren“, sagt Neuhaus.

Der Pianist Ulf Kleiner ist an Corona erkrankt, für ihn springt im Bix Martin Sörös ein, ebenfalls mit großer Spielfreude. Den Gesang übernimmt Alexandra Seubert alleine und schlägt sich wacker. „Franzi ist in Berlin und will sich auf ihre Sachen konzentrieren“, sagt Neuhaus. „Pauline ist noch dabei, aber für ein Auslandssemester in Estland. Alexandra wird auf der neuen Platte ebenso singen wie Caro Trischler – aber die hat auch Corona.“ Von einer Vertretungsbesetzung ist im Bix jedenfalls nichts zu spüren, lustvoll intoniert die Band überwiegend brandneues Material von jenem zweitem Album, das jetzt hätte aufgenommen werden sollen – nun aber auf Juni verschoben wurde.

Das Cover fürs Album hat Neuhaus selbst gestaltet

Neben der Musik fertigt Christoph Neuhaus auch Linoldrucke, Collagen und Illustrationen, das Cover fürs Debütalbum hat er selbst gestaltet: „Man doing his Thing“ heißt das Motiv, und es zeigt, natürlich, einen Mann mit Gitarre. „Das hat sich während Corona entwickelt“, sagt Neuhaus. „Tief- und Hochdruck, Holz- und Linolschnitte faszinieren mich schon lange, ich war immer ein Picasso-Fan. Im ersten Lockdown hatte ich viel Zeit, der Künstler Jörg Mandernach, der auch Gitarre spielt, hat mir in seinem Atelier ein paar Techniken gezeigt – und die Bilder sind nur so aus mir rausgesprudelt.“ Bald soll es eine Ausstellung im Café Herbert’z geben und einen Bildband, der zusammen mit der Vinyl-Version des Albums erscheint.

Noch wichtiger ist etwas anderes in Christoph Neuhaus’ Leben. Dem einen Sohn hat er auf dem Album die Fingerpicking-Nummer „For Oskar“ gewidmet, dem anderen, Henry, nun „The Sound of Heaven“. Dafür tritt er im Bix selbst ans Mikrofon, offenbart eine starke Singstimme und gibt Henry amerikanisch anmutende Zuversicht mit auf den Weg, von der Kinder nicht genug bekommen können in diesen krisenhaften Zeiten: „You’re gonna be alright.“

Der Musiker und sein Werk

Karriere
 1986 in Stuttgart geboren, studiert Christoph Neuhaus Jazz in Mannheim, Amsterdam und Basel. 2009/2010 ist er Mitglied der European Masterclass Big Band. 2016 gründet er mit dem Saxofonisten Alexander Bühl die Band Byrn, 2020 Ramblin Bird.

Kunst
 Das aktuelle Album „Ramblin Bird“ ist im Eigenverlag erschienen und auf Bandcamp, Spotify und vielen anderen Plattformen abrufbar. Seine Bilder sind vom 16. März an im Café Herbert’z in der Immenhoferstraße 13 ausgestellt.

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