Die Stadt Stuttgart will im früheren Pflegeheim Haus Schönberg bis zu 370 Geflüchtete unterbringen. Bei einer Bürgerinformation am Dienstag steht die Verwaltung allerdings in der Kritik: Die Bürger fühlen sich von den Plänen überfahren – und das ist nicht alles.

Die geplante Unterbringung von bis zu 370 Flüchtlingen in Schönberg stößt bei vielen Anwohnern des Birkacher Stadtteils auf massive Kritik. Gut 200 Menschen kamen zu der Informationsveranstaltung der Stadt in der Schönberger Himmelfahrtskirche am Dienstagabend – und nicht wenige, um ihrem Ärger Luft zu machen. Der Andrang war so groß, dass der Zutritt zur Kirche zeitweise gesperrt werden musste.

 

Erst kurz vor Weihnachten waren Pläne der Stadt publik geworden, das ehemalige Pflegeheim Haus Schönberg anzumieten und dort in den kommenden zwei bis drei Jahren Flüchtlinge einzuquartieren. Der Vorsitzende des Schönberger Bürgervereins, Veit Mathauer, warf der Verwaltung deshalb „eine absolut unzulängliche Informationspolitik“ vor. Er kritisierte, dass „unangenehme Informationen“ in den Gremien bewusst nichtöffentlich debattiert würden, um sie geheim zu halten. „Die Sprengkraft von unausgegorenen Entscheidungen über die Bürger hinweg wirkt gesellschaftlich zersetzend“, sagte Mathauer.

Bürger unterstützen die Pläne im Grundsatz

Er unterstrich zugleich, dass der Bürgerverein die Pläne der Stadt für das seit Langem leer stehenden Pflegeheim grundsätzlich unterstütze. Jedoch gebe es ein „absolutes Missverhältnis“ zwischen der Einwohnerzahl des Stadtteils und der Zahl von bis zu 370 Flüchtlingen, die hier untergebracht werden können. „Wir fordern diese Zahl zu überdenken“, sagte Mathauer. Schönberg hat rund 1400 Einwohner.

Die Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann machte ihrerseits deutlich, dass die Entscheidung nicht rückgängig gemacht werde: „Wir können über alles reden, aber nicht mehr, ob wir diesen Standort als Flüchtlingsunterkunft in Anspruch nehmen“, sagte Sußmann. Sie verwies auf die Handlungszwänge angesichts der Flüchtlingswelle. Aufhorchen ließ ihre Ankündigung, dass in Schönberg nicht nur mit Ukrainern zu rechnen sei. Sußmann erklärte, dass seit einigen Monaten deutlich mehr Flüchtlinge aus anderen Staaten nach Stuttgart kämen. Sie kündigte außerdem an, dass die Unterkunft im Anschluss an die notwendigen Umbaumaßnahmen bereits Ende März öffnen soll. Zur Belegzahl sagte sie, dass 370 lediglich ein Maximalwert sei.

Sicherheitsbedenken, wenn auch Nicht-Ukrainer dort wohnen

Auf die Ankündigung hin, dass auch Nicht-Ukrainer auf die Unterkunft in Schönberg verteilt werden könnten, äußerten einige Zuhörer Sicherheitsbedenken. Zudem bereitet vielen die mangelnde Versorgungslage im Stadtteil Sorgen. So verfügt Schönberg über keinerlei Einkaufsmöglichkeiten. „Wenn der Stadtteil über 20 Prozent wächst, muss das Anlass sein, über die Infrastruktur nachzudenken“, sagte ein Zuhörer. Der Stadt wird in diesem Zusammenhang Konzeptlosigkeit vorgeworfen.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Immobilie selbst: Anwohner wiesen darauf hin, dass das Pflegeheim kaum Aufenthaltsmöglichkeiten im Außenbereich biete. Die Stadt verwies hingegen auf den Garten und die Balkone der Anlage. Um künftig einbezogen zu sein, wurde von der Bürgerschaft die Bildung eines Runden Tischs gefordert. Ursula Frommlet-Hege vom Freundeskreis Flüchtlinge Plieningen-Birkach lud ein, sich an der Mitarbeit in der Flüchtlingshilfe zu beteiligen. Der Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann räumte Kommunikationsfehler ein: „Das ist nicht gut gelaufen“, sagte Fuhrmann, der auch für die Liegenschaften der Stadt zuständig ist. Er kündigte an, dass Anmietvorlagen künftig in den Gremien nicht mehr ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden.

Ein Mietpreis von 1,8 Millionen Euro pro Jahr

Zum Mietpreis für das Pflegeheim von rund 1,8 Millionen Euro jährlich sagte Fuhrmann, dass dieser „schmerzt“. Die Stadt habe aber angesichts des Mangels an geeigneten Unterkünften aber „keine Wahl“. Der Bürgermeister unterstrich, dass sich an den Plänen des Investors, im Anschluss an die Zwischennutzung ein Pflegeheim einzurichten, nichts ändere. „Das ist das Einzige, was hier baurechtlich zulässig ist“, sagte der Bürgermeister. Zu der hohen Miete kommen auf die Stadt Renovierungskosten für die Immobilie von 772 000 Euro zu – und die Unterzeichnung des Mietvertrags mit dem Eigentümer Carestone Partners Stuttgart-Schönberg GmbH steht laut Verwaltung noch aus.