Ärztemangel ist nicht nur ein Thema auf dem Land. Auch in Großstädten gewinnt das Thema an Gewicht. Um dem entgegen zu wirken, startet die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg im Frühjahr in Stuttgart und Tuttlingen ein Modellprojekt zur Telemedizin. Titel: DocDirect.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Angesichts des drohenden Ärztemangels geht die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg neue Wege. Spätestens im Mai 2018 soll ein Modellprojekt zur Telemedizin mit Namen „DocDirect“ in der Landeshauptstadt starten, sagte Johannes Fechner, der stellvertretende KV-Vorstandsvorsitzende, bei einer Präsentation am Montag im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Rats. Dann können sich Kassenpatienten am Telefon von Ärzten beraten lassen. Es ist das erste Modellprojekt dieser Art in der Republik. Neben Stuttgart wird dieses parallel im Landkreis Tuttlingen erprobt.

 

Die „drohende Mangelversorgung“ betreffe in absehbarer Zeit nicht nur ländliche Gebiete, sondern auch Großstädte, sagte Fechner. So liege der Versorgungsgrad bei den Hausärzten in Stuttgart nach den Zahlen zwar noch bei 103, 9 Prozent, so der KV-Vorstandsvorsitzende. Allerdings seien derzeit schon 28 Arztsitze frei. Auch zur sogenannten Kopfzahl von 488 Hausärzten in Stuttgart machte Johannes Fechner eine Anmerkung: So seien unter diesen 69 Mediziner, die schon älter als 65 Jahre sind, aber dennoch einstweilen weiter praktizieren. Insgesamt seien 38 Prozent der Hausärzte in Stuttgart älter als 60 Jahre, im Land betrage dieser Wert 36 Prozent.

Junge Ärzte sind lieber angestellt

Deshalb müsse man sich auch hier bei der Hausarztversorgung auf eine Mangelsituation einstellen. Die werde, bis für Nachwuchs gesorgt sei, fünf bis acht Jahre dauern. Die auch von der KV geforderte Erhöhung der Studienplatzzahlen in Medizin versprechen keine schnelle Hilfe: Bis die Neueinsteiger in den Praxen ankommen, dauere es zehn bis 15 Jahre.

Auch wenn man Nachwuchs finde, müssen laut Fechner die Abgänge überkompensiert werden. Junge Ärzte wollten heute eher als Angestellte denn als selbstständige Hausärzte mit eigener Praxis arbeiten. Letztere arbeiten laut Studien im Schnitt 52 Wochenstunden, angestellte Ärzte 38,5 bis 40 Stunden. „Das bedeutet, dass zwei niedergelassene Ärzte durch drei nachrückende angestellte Ärzte ersetzt werden müssen“, erläuterte Fechner.

Fernbehandlungsverbot aufgehoben

In anderen Gebieten sei die Lage zwar schwieriger als in Stuttgart. In großen Städten gebe es aber das Problem, dass diese „bei neuen Hausärzten nicht favorisiert sind“. Diese Sachlage ist der Grund, dass die KV sich für das innovative Projekt an zwei Orten entschieden hat. Es ist ein Versuch unter anderen, dem wachsenden Ärztemangel zu begegnen. Zu diesem Zweck wurde das sonst geltende „Fernbehandlungsverbot“ aufgehoben. Das Angebot soll es in der Zeit von 9 bis 19 Uhr geben. Zu weiteren Details machte Fechner keine Angaben. Es soll dabei jedenfalls gewährleistet werden, dass die Patienten innerhalb einer halben Stunde einen Rückruf erhalten, wenn der Arzt im Gespräch ist.

Die Mitglieder des Sozialausschusses begrüßten das Vorhaben. Mehrere Stadträte betonten, dass man eine einfach einzuprägende Nummer wählen solle und das Angebot auf die Nachtzeit und am Wochenende ausdehnen solle. Fechner erklärte, dass man zunächst in einem überschaubaren Rahmen beginnen werde.