Im Autofahrerland Baden-Württemberg sollen mit einer neuen Strategie künftig noch mehr Menschen zum Radfahren bewegt werden. Vor allem im staugeplagten Stuttgart sieht der Verkehrsminister Hermann großen Nachholbedarf.

Stuttgart – Gegen die hohe Luftverschmutzung mit Feinstaub und für eine bessere Gesundheit der Baden-Württemberger will das Land den Radverkehr bis 2020 auf rund 16 Prozent verdoppeln. "Was wir brauchen, ist eine neue Radkultur", sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). "Lange Zeit war in der Stadtentwicklung das Leitbild der autogerechten Stadt vorherrschend. Die Bedürfnisse der Radfahrer kamen zu kurz", meinte er. Vor allem in der Landeshauptstadt sieht er Nachholbedarf. Die neue Radverkehrsstrategie soll im Januar vorgestellt werden.

 

Dabei geht es nicht nur um mehr Infrastruktur, sondern auch um Werbung für die gesundheitlichen Vorteile des Transportmittels, wie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mitteilte. "Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, bleibt eher gesund", sagte die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke. Betriebe könnten Arbeitnehmer etwa durch Stellplätze, Umkleideräume und Duschen sowie Trockenräume dazu bewegen, auf das Auto zu verzichten und auf das Rad umzusteigen.

In den vergangenen Jahren habe es in einigen Städten im Südwesten große Fortschritte geben, meinte Zühlke. Als Beispiele nannte sie Karlsruhe, besonders aber auch Pforzheim, das im bundesweiten Vergleich lange zu den fahrradunfreundlichsten Orten zählte. In Freiburg wiederum gebe es aus Radfahrersicht eher das "Luxusproblem", den Verkehr für die Vielzahl der Radler mit einem modernen Leitsystem zu erleichtern.

Anteil der Radler im Verkehr soll steigen 

Der Radverkehr nehme insgesamt zu, heißt es im Verkehrsministerium. "Die Menschen entdecken das Fahrrad neu", teilte die Behörde mit. Mit der neuen Strategie, die noch vor der Landtagswahl im März im Kabinett vorgestellt wird, soll der Anteil der Radler am Verkehr weiter steigen – nicht nur etwa durch Radschnellwege und touristische Landesradfernwege, sondern auch durch Mietstationen und Abstellanlagen. "Die Infrastruktur für das Fahrrad wird im ganzen Land ausgebaut inklusive einer landesweiten Ausschilderung", sagte eine Ministeriumssprecherin. Durch motorisierte Räder - die Pedelecs – werde das Radfahren zudem für noch mehr Menschen interessant.

In einer bundesweiten Erhebung wurde für Baden-Württemberg nach Ministeriumsangaben zuletzt 2008 ein Radverkehrsanteil von 7,7 Prozent ermittelt - gemessen an der Zahl der Wege. Im Landkreis Tübingen liege der Anteil schon heute zwischen 15 und 20 Prozent, in der Stadt Freiburg sogar bei knapp 30 Prozent. Minister Hermann kritisierte im Vergleich dazu die Landeshauptstadt als unterentwickelt. Zugleich sieht er insgesamt Fortschritte für Radler seit der Machtübernahme der grün-roten Landesregierung 2011.

Seit 2012 fördert Baden-Württemberg nach Ministeriumsangaben mit dem Programm "Kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur" die Alternative zum Auto. Das Programm sei derzeit mit jährlich 15 Millionen Euro finanziert.

Besonders in Stuttgart machen auch die Radler Druck. Jeden ersten Freitag im Monat versammeln sie sich bei der Aktion Criticial Mass, um das Fahrrad als "überlegenes urbanes Fortbewegungsmittel" anzupreisen. "Es verursacht keinerlei Emissionen oder Lärm, es ist günstig, und es braucht wenig Platz. Wir werben für einen Umstieg: weg vom Auto (...) weg von Lärm, Dreck und Luftverschmutzung", schreiben die Organisatoren der Kundgebung.