Aus Fairteilern kann man noch genießbare Lebensmittel kostenfrei mitnehmen. Foto: /Lichtgut/Ferdinando Iannone
Um die Verschwendung von Lebensmitteln einzudämmen, will die Stadt Geld in neue Fairteiler stecken. Doch wie steht es um die Orte, an denen jetzt schon Brot, Gemüse oder Pesto geteilt werden? Wir haben uns sechs Fairteiler angeschaut.
Yannik Schuster
20.07.2024 - 08:00 Uhr
Alleine in Stuttgart landen jedes Jahr rund 80 000 Tonnen noch genießbare Lebensmittel im Müll. Das entspricht dem Gewicht von 18 Fernsehtürmen. Einen kleinen Beitrag, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, leisten sogenannte Fairteiler: Schränke oder Holzhütten, in denen Privatpersonen überschüssige, aber noch genießbare Lebensmittel teilen können. Ein paar davon gibt es in Stuttgart bereits; teilweise freistehend, teilweise integriert in Geschäfte.
Damit es noch mehr werden, startet die Stadt eine Förderung. Mit bis zu 3500 Euro pro Standort können neue Fairteiler künftig bezuschusst werden.
Doch wie laufen eigentlich die bestehenden Fairteiler? Wir haben uns einige davon angeschaut. Was liegt dort aus? Wie gepflegt sind die Fairteiler? Wie einfach sind sie zu finden? Klar ist: Dabei handelt es sich um eine Momentaufnahme.
Degerloch: Hütte ohne Inhalt
In Degerloch befindet sich der Fairteiler in einer kleinen, grauen Holzhütte im Hinterhof der evangelischen Kirchengemeinde. Ausgeschildert ist dieser nicht, somit auch schwer zu finden. Das Angebot an Lebensmitteln war an den Testtagen überschaubar: am Montag gänzlich leer, am Dienstag lag immerhin ein Feldsalat im Kühlschrank. Das Protokoll, in das sich die Ehrenamtlichen eintragen, verrät, dass noch mehr Lebensmittel abgegeben wurden. Wer jedoch zuschlagen will, muss schnell sein.
Fairteiler in Degerloch /Yannik Schuster
Große Falterstraße 4, rund um die Uhr geöffnet.
Zuffenhausen: Gut bestückt, schlecht gekühlt
Gegenüber der Pauluskirche steht ein schwer zu übersehendes Holzhüttchen, das Platz für reichlich Nahrungsmittel bietet. Eine breite Auswahl an Backwaren war zum Testzeitpunkt verfügbar, auch abgepackte Salate und Rucola stand bereit. Der Chicorée hingegen sah wenig appetitlich aus. Einen Kühlschrank bietet der Fairteiler nicht, gerade empfindlichen Lebensmitteln setzen die Bedingungen an heißen Sommertagen zu.
Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die regelmäßig etwas aus dem Fairteiler mitnimmt, sagt: „So eine zentrale Stelle, wo man überschüssige Lebensmitteln hinbringen kann, lockt viele an.“ In Zuffenhausen habe sich das Angebot bereits herumgesprochen, weiß sie. Dort steht der soziale Gedanke besonders im Fokus, denn jeden Montag gibt die Bürgerstiftung Stuttgart am Fairteiler ein warmes Mittagessen im Glas aus – natürlich kostenfrei.
Fairteiler in Zuffenhausen /Yannik Schuster
Unterländer Straße 15, täglich von 7 bis 22 Uhr geöffnet.
Stuttgart-Ost: Der Gemüse-Kühlschrank
Unauffällig in einem Hinterraum des Unverpacktladens Wandel.Handel steht ein gut bestückter Kühlschrank. Im Fairteiler war allerlei Gemüse, darunter Salat, Gurke, Fenchel und Pilze. Der Fairteiler sei sehr gut frequentiert, berichtet eine Mitarbeiterin des Unverpacktladens. Sie habe noch nie etwas wegwerfen müssen. Die Pflege des Kühlschranks liegt in Händen von Ehrenamtlichen. Stelle sie fest, dass der Fairteiler geputzt werden müsse, dann informiere sie diese und innerhalb weniger Stunden komme jemand vorbei, sagt die Verkäuferin.
Im Unverpacktladen Wandel.Handel steht ein Fairteiler-Kühlschrank. Foto: Lichtgut / Ferdinando Iannone
Wagenburgstraße 123, Öffnungszeiten richten sich nach dem Unverpacktladen: Montag, Donnerstag und Freitag: 10 bis 18.30 Uhr, Dienstag und Mittwoch: 16 bis 20 Uhr.
Stuttgart-West: Das Vorzeigemodell
Der wohl speziellste Fairteiler der Statt befindet sich im Café Raupe Immersatt. Hier kümmern sich nämlich nicht Privatpersonen um die Pflege und Betreuung, sondern Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Cafés.
Rund 80 Prozent der Einlieferungen seien Backwaren, erzählt Mitarbeiterin Silvia Dittinger, im Sommer werde jedoch auch immer wieder Obst und Gemüse abgegeben. „Wenn der Fairteiler nicht so voll ist, ist das ein gutes Zeichen, weil weniger verschwendet wird“, findet sie. Vor allem während der Ferien stelle sie jedoch fest, dass viele Bäckereien zu viel produzieren würden. Das meiste, was im Fairteiler landet, komme auch weg, sagt Dittinger. Älteres Brot, das nicht mehr unter die Leute kommt, werde dann im Café zu Brotchips oder Semmelbrösel verarbeitet.
Im Café Raupe Immersatt werden ebenfalls Lebensmittel geteilt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Johannesstraße 97, Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag jeweils von 10 bis 23 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 19 Uhr.
Möhringen: Die Second-Hand-Bäckerei
Brötchen soweit das Auge reicht, wenig andere Lebensmittel – so der Eindruck aus dem Möhringer Fairteiler. Anja Kremer gehört einer kleinen Gruppe an Ehrenamtlichen an, die sich der Pflege des Hüttchens verschrieben haben. So üppig wie an diesem Tag sei das Angebot selten, sagt sie. Wegwerfen müsse man davon selten etwas. Die allermeisten gehen pfleglich mit dem Fairteiler und den Lebensmitteln um, sagt Kremer. Allerdings: Diebe hätten schon einige der Lebensmittelboxen gestohlen.
Fairteiler in Möhringen /Yannik Schuster
Oberdorfplatz 14, geöffnet täglich von 6 bis 22 Uhr.
Dürrlewang: Kleiner Schrank, Große Nachfrage
In Dürrlewang finden wir den Fairteiler, der sich direkt an das Gebäude der örtlichen AWO anschmiegt, leer vor. Doch wie gerufen kommt Sandra Böhringer und bringt ein Glas Pesto, Schwarzwurzeln und Semmelbrösel vorbei. Sie gebe häufiger Lebensmittel ab, sagt sie. Schade sei es, dass es an diesem Standort keinen Kühlschrank gebe, das schränke die Möglichkeiten ein. Ihrer Erfahrung nach ist die Nachfrage in Dürrlewang deutlich höher als das Angebot. Auch hier seien bereits Lebensmittelboxen verschwunden, erinnert sich Böhringer, die meisten Menschen würden sich jedoch an die Regeln des Fairteilers halten.
Fairteiler in Dürrlewang /Yannik Schuster
Osterbronnstraße 64 B, rund um die Uhr geöffnet.
Weitere Fairteiler in Stuttgart sind am Gosheimer Weg 7 in Sillenbuch, in der offenen Werkstatt Hobby-Himmel an der Siemensstraße 140 in Feuerbach, an der Wildunger Straße 55 in Bad Cannstatt (Commons Bude an der Liebfrauenkirche) sowie am Flamingoweg 24 in Neugereut.