Drei lokale Energieversorger aus Schorndorf, Fellbach und dem Filstal müssen eine Verzögerung fürchten – weil hohe Lärmwerte in der Nachbarschaft die Lokalpolitik aufrütteln.
Noch drehen sich im Windpark der Stadtwerke Fellbach (Rems-Murr-Kreis) auf den Schurwald-Höhen bei Adelberg keine Rotoren. Frühestens im Spätherbst wird mit einer Genehmigung des Göppinger Landratsamts für die vier geplanten Energiemühlen gerechnet. Bis auf dem unter dem Kürzel GP-03 laufenden Gelände eines früheren Bundeswehr-Depots tatsächlich Strom produziert werden kann, dürfte es laut dem Fellbacher Stadtwerke-Chef Gerhard Ammon Sommer 2027 werden.
Gut zwei Jahre vor der erhofften Inbetriebnahme allerdings, droht auf dem Schurwald die Stimmung zu kippen. Die Bürgermeisterin von Adelberg, Carmen Marquardt, hat gemeinsam mit zwei Ortsvorstehern jüngst gefordert, das Genehmigungsverfahren für den Windpark zumindest vorerst auf Eis zu legen. Von einer „Energiewende mit Augenmaß“ ist plötzlich die Rede, in einer Mitteilung wird der Wunsch nach einer vertieften Prüfung mit erweiterten Gutachten geäußert.
Vier Windräder sollen Strom für etwa 24 000 Haushalte liefern
Klar, an der Windkraft scheiden sich auch andernorts die Geister. Bei der Fraktion der Befürworter löst die Aussicht auf umweltfreundlich gewonnene Energie geradezu Euphorie aus, in der Regionalpolitik wird die Planung freudig begrüßt. 28,8 Megawatt sollen die vier geplanten Windräder erzeugen können, das sind im Idealfall nahezu 60 Millionen Kilowattstunden im Jahr, grüner Strom für 24 000 Haushalte.
Die Gegner des Windparks auf dem Schurwald warnen vor einer „Verspargelung“ der Landschaft, befürchten Schlagschatten, eine bedrückende Wirkung, Probleme mit dem Artenschutz und einen Verlust an Lebensqualität. „Der Windkraft-Ausbau ist mit erheblichen Beeinträchtigungen für die Bevölkerung verbunden. Das sind keine harmlos rotierenden Sonnenblumen“, heißt es im Online-Auftritt der Initiative „Pro Schurwald“.
Dass der Stadtwerke-Windpark – beteiligt sind die Stadtwerke Schorndorf, die Stadtwerke Fellbach und die Energieversorgung Filstal – schon vor dem Baustart ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, liegt auch an Problemfällen der Konkurrenz. Nur ein paar Kilometer vom ehemaligen Bundeswehrdepot entfernt auf einem Bergrücken über dem Nassachtal befindet sich der Windkraft-Standort bei Baiereck. Und dort gibt es seit der Inbetriebnahme im Dezember 2024 so große Probleme mit Lärm-Beschwerden, dass der Anlagenbauer Uhl aus Ellwangen an der Jagst jetzt für teures Geld die knarzenden Getriebe austauschen will.
Dem Vernehmen nach ist die eigentlich bereits für Mitte Juni geplante Schallschutzmaßnahme bisher nur daran gescheitert, dass bundesweit kein leistungsfähiger Arbeitskran aufzutreiben war. Dirk Wernicke, Geschäftsführer der Stadtwerke Schorndorf, hat die Hoffnung, dass es sich nur um eine Verzögerung von Tagen handelt – und im Nassachtal mit dem Getriebeaustausch buchstäblich Ruhe einkehrt.
Denn die Lärmprobleme in der Nachbarschaft rufen naturgemäß auch im Schurwald besorgte Lokalpolitiker auf den Plan. Klaus Kärcher beispielsweise, Ortsvorsteher der Schorndorfer Teilorte Oberberken und Unterberken, sieht sich durch die aktuellen Entwicklungen in Baiereck beunruhigt. „Schallemissionen betreffen die Menschen unmittelbar. Viele Anwohnerinnen und Anwohner vor allem in Unterberken machen sich seit längerem Sorgen wegen der möglichen Belastungen durch Lärm. Diese Sorgen werden durch die Erfahrungen im Nassachtal und speziell in Baiereck natürlich genährt und verstärkt“, sagt er.
Bürgermeisterin von Adelberg fürchtet zu viel Lärm
Noch deutlicher wird Carmen Marqardt, die neben dem Ruhebedürfnis der Bürgerschaft auch um das Kloster fürchtende Rathauschefin von Adelberg. „Diese Täler wirken wie Klangtrichter – der Schall wird gebündelt und in die Wohngebiete getragen. Wenn Prognosen jetzt bereits von bis zu 40 Dezibel Lärm sprechen, müssen wir uns fragen: Wie fühlt sich das an, wenn es dauerhaft da ist, Tag und Nacht, da ist?“, fragt die Bürgermeisterin.
Bürgermeisterin: „Das passiert, wenn man Sorgen nicht ernst nimmt“
Besonders kritisch sehen die Kommunalpolitiker die topografischen Parallelen zwischen Baiereck und dem geplanten Windpark auf dem Bundeswehrdepot. „Die Anlagen werden immer leistungsstärker und größer, während der Abstand zur Wohnbebauung immer geringer wird“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Auch die unlängst auf dem Schauinsland in Betrieb gegangenen Windräder hätten zu vor allem nächtlichen Ruhestörungen geführt.
Gefordert wird von Marquardt und den Ortsvorstehern, dass das Genehmigungsverfahren für den Windpark auf dem Schurwald ausgesetzt wird und erweiterte Gutachten auch die spezifischen topografischen Gegebenheiten berücksichtigen – insbesondere auch unter realitätsnahen Bedingungen wie Inversionswetterlagen oder Nachtbetrieb.
„Wir stehen zur Energiewende, aber sie muss mit den Menschen gemeinsam gestaltet werden“, sagt die Adelberger Bürgermeisterin – und spricht von einem Vertrauensverlust in behördliche Entscheidungsprozesse. In Baiereck werde sichtbar, was passieren könne, wenn Sorgen der Anwohnerschaft im Vorfeld nicht ausreichend ernst genommen würden. Das dürfe sich beim Stadtwerke-Windpark auf dem Bundeswehrdepot nicht wiederholen.
Aufgerüttelt hat die Kritik an den Windkraft-Plänen für den Schurwald zumindest die drei beteiligten Stadtwerke. Denn aus Sicht der künftigen Betreiber werden bei der Sorge um den Lärm nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen. Die kommunalen Energieversorger sehen durch den Ärger im Nassachtal auch ein Vorzeigeprojekt in ein schiefes Licht gerückt. „Die Situation in Baiereck ist in keinster Weise mit unserer Planung vergleichbar“, sagt der Fellbacher Stadtwerke-Geschäftsführer Gerhard Ammon.
Stadtwerke wehren sich gegen Vergleich mit den Problem-Windrädern
Statt der Windräder mit dem Problem-Getriebe sollen nach seiner Darstellung vier Anlagen des bundesweit zu den Marktführern zählenden dänischen Herstellers Vestas aufgestellt werden. Und diese seien bisher für einen reibungslosen Betrieb und nicht etwa für eine „untypische Geräuschentwicklung“ bekannt. Eine mit Baiereck vergleichbare Schallbelastung sei im Stadtwerke-Windpark schon deshalb nicht zu erwarten.
Auch bei den Abständen zur Wohnbebauung sieht sich das Betreiber-Trio auf der sicheren Seite. Immerhin 1,2 Kilometer beträgt die Entfernung zum Schorndorfer Teilort Unterberken, sogar 1,6 Kilometer sind es nach Adelberg. Das ist weit mehr als die 800 Meter, die im Regionalplan als Mindestabstand gefordert werden. „Bürgermeisterin Marquardt war von Anfang an gegen das Projekt“, sagt Gerhard Ammon – und betont, dass beim geplanten Windpark die offenen Fragen vom Lärmschutz bis zur Artenvielfalt längst abgeräumt seien.
42 Millionen Euro wollen die drei Betreiber in die Hand nehmen, um auf der Schurwaldhöhe künftig umweltfreundlichen Strom zu produzieren. Ein großer Vorteil des Windparks ist aus ihrer Sicht, dass sich der Eingriff in die Natur auf dem bis in die 2000er Jahre für die Lagerung von Munition und Treibstoff genutzten Militärareal in überschaubaren Grenzen hält. Große Rodungsarbeiten fallen nicht an, die Verkehrswege sind bereits asphaltiert, der knapp vier Kilometer lange Kabelstrang ins Umspannwerk in Uhingen für den künftig erzeugten Strom ist bei der Erschließung noch die größte Herausforderung.
Die Sorge, dass das kommunale Störfeuer zu einer zeitlichen Verzögerung führen könnte, treibt die lokalen Energieversorger dennoch um. Schließlich sind für die Genehmigungsphase schon jetzt 18 Monate eingeplant. Und schon jetzt taugt der Windpark im Schurwald auch als Beispiel, wie lange es bei Energieprojekten trotz des erklärten politischen Willens dauern kann. „Mein Wunsch ist, dass der Windpark in zwei Jahren ans Netz gehen kann“, sagte Matthias Klopfer einst als Oberbürgermeister von Schorndorf über die Planung. Das Zitat stammt aus dem Jahr 2014.