Der Fund von Verschlusssachen bei Donald Trump, Joe Biden und Mike Pence rückt ein Problem in den Blick, auf das Insider seit Langem hinweisen. Der Schutz echter Staatsgeheimnisse droht in einer Flut an Geheimniskrämerei unterzugehen.

Der ehemalige Direktor des Abhördienstes NSA, Michael Hayden, erzählt gerne die Geschichte, wie er einmal einen mit „Top Secret“ gekennzeichneten Weihnachtsgruß erhielt. Das war kein Scherz, sondern Routine in dem Geheimdienst, der so ziemlich jedes Schriftstück zur Verschlusssache erklärt. Denselben Vermerk trugen mutmaßlich auch Dokumente mit Atomgeheimnissen der USA, die Donald Trump in seinem Privatclub von „Mar-a-Lago“ aufbewahrte.

 

Allerdings trug dieser noch Zusatzvermerke, die den Nutzerkreis auf eine Handvoll Personen einschränkten. Dagegen haben auf andere als „Top Secret“ eingestufte Dokumente in den USA fast 1,3 Millionen Personen Zugriff. Das erklärt, warum nicht jede Verschlusssache gleich ist. Ein Teil der Aufgabe der von Justizminister Merrick Garland benannten Sonderermittler für die Dokumenten-Affären Donald Trumps und Joe Bidens besteht darin, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Denn gewiss macht es für die Bewertung der Vorgänge einen Unterschied, ob versehentlich Unterlagen mit als „Top-Secret“ markierte Reisevorbereitungen in zugeklebten Umzugskisten landeten, wie im Fall des ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence. Oder ob jemand Information über die streng gehütete Identität von Spionen im Ausland an sich genommen hat, wie mutmaßlich Trump in seiner Strand-Villa von Palm Beach.

Der Überblick fällt bei 50 Millionen Dokumenten schwer

Solche Details gehen in der Aufregung um die Funde der Verschlusssachen leider so leicht abhanden, wie die Papiere selbst. Angesichts von 50 Millionen Dokumenten, die jedes Jahr neu mit einer Geheimhaltungsstufe versehen werden, hat das für die Aufbewahrung zuständige Nationalarchiv längst den Überblick verloren.

Das könnte erklären, warum die vergleichsweise kleine Zahl an Biden-Papiere niemand vermisst hat. Ähnlich dürfte es sich bei Pence verhalten. Beide Politiker meldeten den Fund freiwillig an das Archiv und kooperieren bei der Aufklärung. Trump dagegen hielt über Monate mehr als 300 Dokumente zurück, die das Nationalarchiv identifiziert und ausdrücklich zurückgefordert hatte.

Das Problem der Geheimniskrämerei in der US-Regierung, das zu ehrlichen Versehen führen kann, muss sorgfältig von der vorsätzlichen Aneignung hochsensibler Staatsgeheimnisse unterschieden werden.

Oftmals banale Informationen als „geheim“ eingestuft

Die Klassifizierungsflut erklärt sich mit der Übervorsicht von Bürokraten. Weil diese ihren eigenen Job nicht gefährden wollen, ordnen sie oft banalen Informationen eine der Kategorien „vertraulich“, „geheim“ oder „streng geheim“ zu. Barack Obama hatte während seiner Amtszeit einen Anlauf unternommen, das System zu modernisieren, kratzte mit seiner Reform aber nur an der Oberfläche.

Der Fokus müsste auf dem liegen, was Obama einmal die „top top secrets“ nannte. Nach allem, was in den Dokumenten-Affären bisher bekannt geworden ist, gehören dazu auch Unterlagen, die Ex-Präsident Trump unter anderem in einem Lagerraum von Mar-a-Lago zwischen Golfschlägern und Sportklamotten hortete.

Dass er sie über Monate nicht herausrückte, löst die Frage aus, warum ihm diese Papiere so wichtig waren. Vielleicht kann er seinen Anhängern Atomgeheimnisse als „coole Souvenirs“ verkaufen. Der Sonderermittler wird sich mit dieser Erklärung gewiss nicht zufrieden geben.