Was in den beiden so genannten Volksrepubliken Donetsk und Luhansk geschieht, bleibt der Welt weitgehend verborgen. Eines ist jedoch bewiesen: Russland liefert Waffen.ksrepubliken

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Auch wenn es zynisch klingt: Im Osten der Ukraine, im Donbass, ist der ruhigste Sommer seit dem Beginn des Konfliktes zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten im Jahr 2014 zu Ende gegangen. Nur 43 Zivilisten sind dort seit Jahresbeginn durch die Kampfhandlungen ums Leben gekommen, so jedenfalls die offiziellen Zahlen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Im vergangenen Jahr waren demnach 478 zivile Todesopfer zu beklagen. Sowohl die russische als auch die ukrainische Seite veröffentlichen regelmäßig deutlich höhere Opferzahlen. Und ungeachtet dessen gilt: Die Situation ist nach wie vor höchst angespannt, Verletzungen des Waffenstillstandes werden von den Beobachtern der OSZE praktisch täglich protokolliert.

 

So listet der aktuelle Bericht vom vergangenen Freitag in der Region Donezk einen leichten Rückgang, in der Region Luhansk hingegen eine leichte Zunahme von Verletzungen des Waffenstillstandes auf. Rund um die Stadt Zolote haben Beobachter neun schwere Explosionen unklarer Herkunft ausgemacht, dazu mindestens achtmal Salven aus schweren Maschinengewehren registriert. Ruhe sieht anders aus.

Im Sommer war es den Beobachtern zudem erstmals gelungen, ein offenes Geheimnis zu belegen. Eine Drohne der OSZE hatte Aufnahmen davon gemacht, wie russische Militärtransporte Nachschub in die Separatistengebiete bringen. Auf den Bildern ist zu sehen, wie Material auf Feldwegen transportiert wird, um offizielle Grenzposten zu umgehen. Gefilmt wurde ein Konvoi von sechs schweren Lastwagen – und wie dieser von einem Empfangskomitee in einem Jeep willkommen geheißen werden. Seit Jahren wird darüber gestritten, ob und wie Russland in der Ostukraine militärisch aktiv ist.

Was sonst in den beiden sogenannten Volksrepubliken Donezk (DNR) und Luhansk (LNR), die im April 2014 ausgerufen worden waren, geschieht, bleibt der Welt weitgehend verborgen. Die „Republiken“ ohne internationale Anerkennung schotten sich immer mehr ab. Verschiedene Quellen berichten über schwere Menschenrechtsverletzungen. Ein UN-Bericht sprach von einem „völligen Fehlen von Rechtsstaatlichkeit, willkürlichen Verhaftungen, Folter und Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt“. Mitte November wurden bei Wahlen Denis Puschilin und Leonid Pasetschnik zu Präsidenten gewählt, nach offiziellen Angaben mit knapp 61 beziehungsweise 68 Prozent. Bei beiden handelt es sich um Männer, die Moskau gerne an der Spitze der beiden Volksrepubliken sieht. Die Wahlen wurden nötig, weil am 31. August Alexander Sachartschenko, der Regierungschef der „Donezker Volksrepublik“, bei einem Attentat ums Leben gekommen war.

Zusammen mit Gefolgsleuten hatte er ein Café neben seinem Regierungssitz betreten, als ein Sprengsatz explodierte. Moskau beschuldigt zwar Kiew der Urheberschaft des Anschlages, allerdings spricht vieles dafür, dass die Pläne dafür eher in Moskau oder in den Reihen der Separatisten geschmiedet wurden. Sachartschenko galt als eigensinnig und soll unter einer Art Hausarrest gestanden haben. Bei den Bewohnern in und um Donezk war Sachartschenko hingegen beliebt, ein Volksheld, ein Befreiungskämpfer. Mehr als 70 000 Menschen kamen zu seiner Trauerfeier im September. Der neue Mann an der Spitze genießt das Vertrauen Moskaus – doch die eigenen Landsleute stehen ihm weitaus skeptischer gegenüber.

Beliebter Anführer stirbt bei Attentat

Die Ukraine und der Westen hatten vergeblich gegen die Durchführung der sogenannten Wahlen protestiert. In ihren Augen widersprechen diese der im Februar 2015 geschlossenen Minsker Vereinbarung über die Regelung des Konfliktes in der Ostukraine. Denn die Wahlen festigen die Strukturen einer Eigenstaatlichkeit – die selbst Russland nicht offiziell anerkennt.