New York gilt als Trend-Hauptstadt der Welt. Und Staten Island bezeichnete sich lange als ihr vergessenes Viertel. Doch nun kommen Bauprojekte, Preise steigen – wird die Insel doch noch hip? Unser Autor Sebastian Moll gibt Geheimtipps für einen Besuch.

New York - Staten Island ist für die meisten New Yorker ein anderes Land. Die Insel im New Yorker Hafen, die von Manhattan aus gesehen gleich hinter der Freiheitsstatue liegt, könnte genauso gut zu New Jersey gehören, so wenig hat der fünfte Stadtbezirk, der 1898 eingemeindet wurde, mit dem Rest der Metropole gemein.

 

Staten Island fehlt die sprichwörtliche Dichte und Hektik New Yorks, es geht hier so vorstädtisch bis ländlich zu, dass man kaum glauben kann, noch auf dem Gebiet des Acht-Millionen-Molochs zu sein. Nur, wenn man in der Flucht der Kopfstein-Gassen der kolonialen Ortschaft St. George auf die zum Greifen nahe liegende Skyline Manhattans blickt, wird man daran erinnert, dass man noch immer im Big Apple ist.

Die Inselbewohner fahren mit einer kostenlosen Fähre in die City

Den Bewohnern von Staten Island ist das gerade Recht so. Sie fahren mit der kostenlosen Fähre morgens die halbe Stunde über die Bucht in die Stadt und genießen am Abend nach der atemberaubend schönen Bootsfahrt ihr ruhiges Vorstadtleben im sehr bezahlbaren eigenen Haus. Am Wochenende haben sie ihren Strand vor der Haustür. Und wenn es sie doch einmal abends in die Stadt zieht, müssen sie nur zur Anlegestelle an der Nordseite der Insel fahren.

In jüngster Zeit entdecken jedoch auch immer mehr New Yorker aus den anderen Boroughs, wie die Stadtviertel hier heißen, den Charme der Insel – und die niedrigen Lebenshaltungskosten. Und auch Besucher wagen sich öfter mal vom Fährterminal, wo man einst nach der kostenlosen Hafenrundfahrt mit der Staten-Island-Ferry gleich wieder umdrehte, ins Innere der Insel vor.

In der Altstadt sieht man bezaubernde historische Häuser

Meist ist man dann überrascht, dass nur wenige Schritte von der Fähre entfernt die Altstadt von St.George liegt, die aus bezaubernden „Queen Anne“- und „Colonial-Revival-“Häusern aus dem frühen 19. Jahrhundert besteht. Ein wenig bekommt man das Gefühl hier, dass die Zeit stehen geblieben ist. Bis man den Hügel hinab über die Bucht auf die Skyline von Manhattan blickt. Für einen Kaffee und ein Sandwich kann man im Café „120 Bay“ in der Bay Street Nummer 120 einkehren.

Um den Rest der Insel zu erkunden, hat man sich am besten aus Manhattan ein Fahrrad mit gebracht. Wenn man nicht die 17 Dollar Maut für eine Autofahrt über die Verrazano-Narrows Bridge berappen will, die sich hier majestätisch über die Bucht spannt, dann gibt es kein besseres Fortbewegungsmittel.

An der Esplanade hat man einen großartigen Blick über die Bucht

Vom Fährterminal kann man an der Esplanade noch einmal den großartigen Blick über die Bucht genießen. Weiter geht es an der Richmond Terrace entlang zum Snug Harbor Cultural Center, einer der Hauptattraktionen von Staten Island. Der prachtvolle neoklassizistische Komplex beheimatet ein kleines Museum für zeitgenössische Kunst, die Privatsammlung des Seefahrers John Noble, das eklektische Staten Island Museum, sowie einen hübschen botanischen Garten.

Zurück zum Fährterminal nimmt man den Fahrradweg an der Bay Street, der immer am Wasser entlang führt. Nach etwa drei Kilometern kommt der Radler an die Hylan Avenue. Nimmt man diese nach links zum Wasser hin, gelangt man man zur Villa der Fotografin Alice Austen. Das prachtvolle Haus aus dem 17. Jahrhundert mit Blick auf die Bucht beherbergt wechselnde Fotoausstellungen, sowie eine Auswahl Ihrer Werke.

Viele kennen das Fort als Startpunkt des New Yorker Marathon

Zurück auf der Bay Street geht es nach links, bis man an das historische Fort Wadsworth gelangt. Diese alte Festung liegt direkt unterhalb der Verrazano-Narrows Bridge, die jüngste und größte der New Yorker Brücken. Das Fort wurde im 17. Jahrhundert von den Holländern gebaut und im Revolutionskrieg von den Engländern benutzt. Auch im Bürgerkrieg wurde von hier aus der Hafen von New York verteidigt.

Viele kennen das Fort als Startpunkt des New Yorker Marathons. Von hier aus wälzt sich jedes Jahr am ersten Novemberwochenende die Lawine von 40 000 Läufern zu den Klängen von Frank Sinatra über die Brücke nach Brooklyn hinüber – und dem weit entfernten Ziel im Central Park entgegen.

Vom Fort aus biegt der sportliche Staten-Island-Tourist auf die McClean Avenue ein, dann gleich wieder links auf die Liliy Pond Avenue. An deren Ende lockt der South Beach, an dem ein gepflegter Radweg entlang führt.

Angrenzend an den Strand sind die Nachbarschaften Midland Beach und New Dorp, die während Hurricane Sandy im Jahr 2012 stark beschädigt wurden. Ganze Straßenzüge wurden nie wieder aufgebaut und wenn man durch die Nachbarschaft fährt kann man bis heute, Reste abgerissener Häuser sehen.

Der Weg zurück zur Fähre ist mit dem Hinweg identisch. Für ein gemütliches Abendessen kann man in der Altstadt von St. George einkehren – zum Beispiel in unmittelbarer Nähe der Fähre in der spanisch-kubanischen Tapas-Bar „Beso“.