Forscher an der Uni Stuttgart zeigen, wie schwer es ist, eine malende Maschine mit Gedankenkraft zu steuern.

Stuttgart – Der Plexiglas-Quader erinnert an ein Aquarium. Innen drin saust ein Roboterarm rastlos hin und her und verteilt Farbkleckse auf den Wänden und auf einem Stück Leinwand, das am Boden liegt. Was auf der Leinwand entsteht, ist genau genommen das Werk eines Probanden, der vor dem Plexiglaskasten steht und der 16 Elektroden auf dem Kopf hat. Er steuert den Roboterarm mit seinen Gedanken. Plötzlich hält der Roboter inne, ohne dass klar wäre, warum. Der junge Mann sieht konzentriert aus und macht ein ungeduldiges Gesicht, als würde er denken: „Beweg dich endlich!“ Da springt ihm Markus Funk zur Seite: „Stell dir vor, du würdest deinen Arm bewegen!“ Tatsächlich, das hilft.

 

Der Informatiker Markus Funk und der Physiker Michael Raschke vom Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme der Universität Stuttgart haben den Malroboter gemeinsam entworfen. Jetzt testen sie, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine funktioniert. Ihr neuestes Experiment führt sie in ein drittes Fachgebiet: die Psychologie. Wie viel Geduld bringen Menschen mit Maschinen auf? Wie lässt sich die Frustration mildern, wenn der Roboter nichts tut, auch wenn man noch so intensiv „beweg dich“ denkt?

„Es ist wahnsinnig schwer, einen Gedanken zu halten“, erklärt Michael Raschke. Doch genau darum geht es beim Zusammenspiel von Gehirn und Maschine. Damit solche Schnittstellen, die Brain-Computer-Interfaces genannt werden, funktionieren, müssen Menschen ihre Gedankenbefehle möglichst deckungsgleich reproduzieren. Das überfordert sie oft.

Erstmal „nichts“ denken

Damit der Computer korrekt auf die Befehle reagiert, muss er wiederum trainiert werden. Der Proband schaut dafür zuerst auf eine weiße Wand und bekommt die Anweisung, sich zu entspannen und möglichst an „nichts“ zu denken. Danach schaut er sich den Roboter an und denkt daran, diesen von rechts nach links und zurück zu bewegen. Die Elektroden am Kopf zeichnen die Signale auf, die im äußeren Teil des Gehirns – dem Neocortex – entstehen. Mit der Zeit lernt der Roboter, welche Signale für welchen Befehl stehen.

Erst im zweiten Teil des Experiments setzt der Roboter die Signale in Aktionen um: der Proband steuert ihn dann mit seinen Gedanken. Michael Raschke erinnert sich gut an seine Gefühle, als der Roboter sich erstmals auf seine Gedanken hin bewegte: „Man kommt sich vor wie im Science-Fiction. Das war ein unheimliches Gefühl.“ Er hat den Roboter ursprünglich als Physik-Diplomarbeit entworfen. Damals wurde dieser über einen Datenhandschuh gesteuert. Die Herausforderung dabei war, den menschlichen Arm funktional möglichst gut nachzubauen, damit der Roboter alle Bewegungen nachahmen kann.

Smartphone-App steuert Roboter

Später entwickelte Raschke mit Kollegen eine Smartphone-App, mittels derer der Roboter ferngesteuert werden konnte: Wenn die Künstler mit ihrem Smartphone hüpften und tanzten, übertrugen die Bewegungssensoren des Handys dies an den Roboter, der die Bewegungen kopierte. „Man konnte den Bildern ansehen, was für Menschen sie gemalt hatten“, erinnert sich Raschke, „man erkannte die dynamischen Künstler.“ Seit einigen Monaten kann man den Malroboter auch per Gedanken steuern. Markus Funk hat den Algorithmus programmiert, der die Gehirnsignale auf den Roboter überträgt. Nebenbei messen die Elektroden am Kopf auch die Begeisterung des Nutzers. „Auch sie fließt in den Algorithmus ein“, erklärt Funk. Wenn der Künstler abgelenkt und weniger begeistert ist, bewegt sich der Roboter ein wenig. „Er macht auf sich aufmerksam und sagt: Hallo, hier bin ich!“, sagt Funk.

Dennoch ist es für die Probanden oft sichtlich überraschend, dass sich der Roboter durch ihre Gedanken steuern lässt. Verständlich, findet Raschke: „Normalerweise ist man es gewohnt, eine Taste zu drücken oder die Maus zu bewegen.“ Diesem Phänomen wollen die Forscher weiter nachgehen: Haben die Menschen das Gefühl, eine Maschine trotzdem unter Kontrolle zu haben? Auch ob die Probanden in ihren Bildern das wiederfinden, was sie gedacht haben, muss noch erforscht werden.

Videos und Kunstwerke verschiedener Probanden unter
www.robopix.de