Einerseits ist es zum Glücksspiel geworden, ein Zuhause in Stuttgart zu finden. Andererseits stehen etliche Gebäude in der Landeshauptstadt leer. Drei Beispiele aus Stuttgart-Degerloch.

Degerloch - Klaus Kreiselmaier beobachtet schon länger ein Gebäude an der Felix-Dahn-Straße 65 A. „Seit vier, fünf Jahren laufe ich an dem Haus vorbei, und die Rollläden sind permanent zugezogen“, sagt der Betreiber eines Sportfachhandels in Degerloch. Die Schilder an der Klingel sind namenlos, allein der große Vorgarten sieht einigermaßen gepflegt aus. Die Eigentümerin soll in Karlsruhe wohnhaft sein, das habe er von einer Anwohnerin gehört. Für Kreiselmaier ist es unverständlich, warum manche Eigentümer Wohnungen nicht vermieten, die so dringend gebraucht werden.

 

200 Bewerber auf eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung

Obwohl dem Landesförderprogramm Wohnungsbau BW in den vergangenen drei Jahren Mittel im Gesamtwert von 750 Millionen Euro zur Verfügung standen, sind Wohnungen in Stuttgart nach wie vor Mangelware. Die Nachfrage bestimmt den Markt, erklärt der Immobilienmakler Thomas Widder aus Sillenbuch: „Beispielsweise kommen auf eine angebotene Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Degerloch oder Sillenbuch mit einer Kaltmiete von 700 Euro um die 200 Bewerber“, sagt er. „Die Bandbreite reicht vom Single bis zur Großfamilie.“ Er hat festgestellt, dass viele Hauseigentümer nicht mehr vermieten wollen – aufgrund schlechter Erfahrung. Sie warten laut dem Makler eher auf die Gelegenheit, ihre Immobilie möglichst lukrativ zu verkaufen.

Das leer stehende Haus an der Felix-Dahn-Straße ist kein Einzelfall in Degerloch. An der Leinfeldener Straße rahmen Mehrfamilienhäuser im tadellosem Zustand das triste, dreistöckige Gebäude mit der Hausnummer 30 ein. Die Fassade beginnt zu bröckeln, eine rostige Kette mit wuchtigem Schloss verriegelt das Eingangstor. Anzeigenblätter, die achtlos über den versperrten Zaun geworfen wurden, vergilben allmählich. Keine Anzeichen davon, dass hier jemand wohnt. Die Fenster im Erdgeschoss wurden bereits abmontiert und liegen im Inneren der Wohnung. Zeichen von anstehenden Renovierungsarbeiten sind nicht erkennbar.

Sogar Hundekämpfe will sie beobachtet haben

Eine Anwohnerin erzählt, dass das Haus schon seit Längerem leer stehe und es sogar zu einer Besetzung durch jugendliche Gruppierungen gekommen sei. „Das war einfach nur schlimm, ein Skandal. Bis tief in die Nacht kam aus dem Haus laute Musik“, sagt sie. Sogar Hundekämpfe im Innenhof will sie beobachtet haben.

„Im Fall der Leinfeldener Straße und der Felix-Dahn-Straße haben wir Kontakt zu den Hauseigentümern aufgenommen und um Stellungnahme bis Ende Mai gebeten“, sagt der stellvertretende Leiter des Baurechtsamtes, Rainer Grund. Sollte es wirklich der Fall sein, dass die Gebäude schon seit Längerem unbewohnt sind und die Hauseigentümer keine plausible Erklärung dafür haben, werde man in Betracht ziehen, Bußgelder zu verordnen, sagt er. Das sieht nämlich das Zweckentfremdungsverbot vor, welches seit Anfang 2016 in Stuttgart gilt. Es legt fest, dass der Hauseigentümer dazu verpflichtet ist, innerhalb von sechs Monaten leer stehende Objekte weiter zu vermieten oder sanierungsbedürftige Gebäude renovieren zu lassen. Immobilien, die bereits vor dem Erlass des Verbots leer standen, sind davon allerdings nicht betroffen.

Zwangsverkauf als letzter Schritt

Um den Leerstand zu bekämpfen, haben die Grünen im Gemeinderat jüngst ein Mittel ins Spiel gebracht, das in Tübingen neuerdings bereits praktiziert wird, das aber als umstritten gilt: das Baugebot. Dort könnte auf Besitzer von leeren Grundstücken, die nicht bauen wollen, ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50 000 Euro zukommen; wenn auch das nicht fruchtet, wäre der letzte Schritt ein Zwangsverkauf an die Stadt. Die Stuttgarter Grünen im Gemeinderat erkundigen sich nun, wie die Landeshauptstadt bisher auf Eigentümer von Baulücken zugeht. Zudem fragen sie, welche Möglichkeiten die Verwaltung bei leer stehenden Gebäuden hat. Es geht ihm dabei nicht nur um Wohnhäuser, sondern auch um Gewerbeimmobilien.

Ein Auge hat die Stadt Stuttgart übrigens auch auf das Haus an der Weidachstraße 18 in Degerloch geworfen. Robuste Ketten am Gartenzaun versperren den Zugang. „Das Objekt ist einem Erbstreit zum Opfer gefallen und nun in der öffentlichen Hand einer anderen Gemeinde“, erklärt Rainer Grund vom Baurechtsamt. Diese wolle in den nächsten Wochen einen konkreten Zeitplan liefern, wie mit der Immobilie weiter verfahren wird.