Schwerhörigkeit ist ein ernst zu nehmendes Risiko für die geistige Fitness. Das belegt eine aktuelle Studie aus den USA. Umso wichtiger ist es nach Ansicht von Experten, möglichst frühzeitig mit Hörgeräten gegenzuhalten. Worauf sollte man dabei achten?

Stuttgart - Rund 15 Millionen Menschen in Deutschland hören nicht einwandfrei. Häufige Folgen sind Vereinsamung und ein Verlust von Lebensqualität. Aber das ist nicht alles, wie eine aktuelle Studie des Brigham and Women’s Hospital in Boston belegt: Mit dem schleichenden Rückgang des Hörvermögens steigt auch das Risiko, dass sich die geistige Fitness verschlechtert. Dabei sei für jede Art der Hörstörung eine sinnvolle Lösung möglich, wie die HNO-Fach- und -Oberärztin Ricarda Riepl vom Universitätsklinikum Ulm betont. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema. Warum ist es wichtig, möglichst früh gegenzusteuern? Nur etwa drei Millionen Menschen gleichen derzeit ihre Hörminderung mit einem Hörgerät aus. „Das sind viel zu wenige“, sagt der HNO-Facharzt und Pressesprecher des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte, Michael Deeg. „Bei nicht korrigierter Hörminderung werden bestimmte für das Hören zuständige Areale im Gehirn nicht mehr angesprochen, sie verkümmern“, warnt Deeg. Bei schlechtem Hörvermögen nimmt der kognitive Input ab, und die Denkleistung fokussiert sich ganz auf das Verstehen des schlecht Gehörten. „Andere Bereiche wie zum Beispiel jene, die für das Gedächtnis wichtig sind, bleiben dabei auf der Strecke. Es liegt quasi eine Umverteilung von Denkkapazitäten vor“, sagt die Ulmer Medizinerin Riepl. Die Mehrheit der Studien zeigt nach Deegs Worten: „Wer rechtzeitig beginnt, ein Hörgerät zu tragen, kann von vornherein das Verkümmern bestimmter Strukturen im Gehirn verhindern.“ Wie macht sich eine Schwerhörigkeit bemerkbar? „Gerade bei älteren Menschen lässt zunächst das Hörvermögen für hohe Frequenzen nach. Fallen nach und nach mittlere Frequenzen weg, werden die Höreinbußen merklich. Ein unangenehmes Lautheitsempfinden tritt auf“, so Riepl. Betroffene müssen oft nachfragen, weil sie Gesprächsfetzen nicht hören – vor allem bei ungünstigen Umgebungsbedingungen. Sie erleben Situationen, in denen sie sich denken: „Alle müssen lachen, nur ich weiß nicht, worum es geht.“ Oder die Familie sagt: „Mach doch bitte den Fernseher leiser!“ Das sollte die Betroffenen oder ihr Umfeld stutzig machen. Deeg rät in diesem Fall zum Besuch beim HNO-Arzt. Auch der Hörgeräteakustiker kann das Gehör prüfen. Wie wird das Hörvermögen getestet? Zur Hörprüfung gehören eine Tonhöhenmessung sowie eine Sprachhörprüfung, der sogenannte Freiburger Sprachtest. Der Facharzt kann ein Hörgerät verschreiben, wenn beim Sprachhörtest die Verstehensquote unter 80 Prozent und der Hörverlust im Bereich zwischen 500 und 4000 Hertz liegt. Bei einseitiger Schwerhörigkeit muss zudem ein Hörverlust von mindestens 30 Dezibel gegeben sein.