Das Verhältnis zwischen Benedikt Höwedes und dem FC Schalke 04 galt über Jahre als besonders innig. Doch nun wagt der Weltmeister bei Juventus Turin einen Neuanfang. Zum Abschied spricht er noch einmal klare Worte Richtung und Trainer und Verein.

Gelsenkirchen - Über lange Zeit war er die königsblaue Identifikationsfigur, verlässt seinen Herzensclub nun aber im Groll. Nach 16 Jahren beim FC Schalke 04 ergreift Fanliebling Benedikt Höwedes mit einiger Verbitterung die Flucht. Die Absetzung als Mannschaftskapitän, der Verlust seines Stammplatzes und das dadurch bedingte schlechte Verhältnis zum neuen Trainer Domenico Tedesco veranlassten den Weltmeister zum Wechsel Richtung Juventus Turin. „Ich gehe als Spieler, aber ich bleibe als Fan“, schrieb er am Mittwochabend via Twitter. „Denn einmal Schalker, immer Schalker.“

 

Nach überstandenem Medizincheck von Höwedes einigten sich beide Vereine auf ein Leihgeschäft mit anschließender Kaufoption. „Es war keine einfache Entscheidung für uns, aber aufgrund der großen Verdienste von Benedikt Höwedes wollten wir seinen Wunsch, zu Juventus Turin zu wechseln, nicht ablehnen und haben daher einer Ausleihe zugestimmt“, erklärte Sportvorstand Christian Heidel in einer Mitteilung des Bundesligisten.

Nach Angaben von Juventus zahlt der Club von Nationalmannschaftskollege Sami Kherida 3,5 Millionen Euro Leihgebühr für Höwedes. Bei mindestens 25 Einsätzen würde er zum festen Neuzugang. Die Turiner müssten in dem Fall mindestens weitere 13 Millionen Euro überweisen. Erfolgsabhängig könnten weitere drei Millionen Euro dazukommen und die Gesamtsumme auf 19,5 Millionen Euro ansteigen lassen.

Nun geht er - nicht ohne Bitterkeit

In Turin soll Höwedes die zum AC Mailand gewechselte Stammkraft Leonardo Bonucci ersetzen. „Die ersten Gefühle waren für mich überwältigend. Das ist ein großer Tag für mich“, sagte Höwedes nach seiner Unterschrift in Turin. „Für mich ist Juventus einer der größten Clubs der Welt.“

Viele Schalker Anhänger tun sich indes mit dem Abgang des Nationalspielers schwer. In insgesamt 240 Bundesligaspielen im königsblauen Trikot erwarb sich Höwedes beim heimischen Publikum einen Ruf als zuverlässiger und bodenständiger Kämpfer. Eigenschaften, die im Revier seit jeher einen hohen Stellenwert genießen.

Als Höwedes im Februar 2016 seinen Vertrag bis 2020 verlängerte, sammelte er bei den Fans mit einem emotionalen Treueschwur zusätzliche Sympathien: „Die Kohle geht, die Kumpel bleiben. Ich habe den Vertrag mit pochendem Herzen unterschrieben.“

Nun geht er - nicht ohne Bitterkeit. „Hätte man mich vor 4 Wochen gefragt, ob ich in dieser Transferperiode ins Ausland gehe, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, schrieb Höwedes. Doch in den letzten Wochen sei das Vertrauensverhältnis „mehrfach auf die Probe gestellt worden“, meinte er weiter. „Das Kapitänsamt ist nur ein Teil davon.“

Der Wechsel wird zur heiklen Personalie

Angesichts der großen Verbundenheit zwischen dem Anhang und dem altgedienten Profi wird der Wechsel zur heiklen Personalie - vor allem für Trainer Tedesco. Schon der Entschluss des Fußball-Lehrers, die Hierarchie innerhalb des Teams zu verändern und das Kapitänsamt von Höwedes auf Ralf Fährmann zu übertragen, sorgte für lebhafte Debatten.

Dass der Weinzierl-Nachfolger in den ersten Saisonspielen auf Höwedes verzichtete, befeuerte die Diskussionen zusätzlich. Auf erste Wechselgerüchte reagierte Tedesco emotionslos: „Reisende soll man nicht aufhalten.“ Höwedes entgegnete ihm nun: „Reisende kann man aufhalten.“

Vielleicht trug auch die knappe Aussage des Trainers dazu bei, dass die Schalker Fans ihre Wertschätzung für den Ausgebooteten demonstrativ zum Ausdruck brachten. „Respektvoller Umgang mit einem verdienten Spieler“ - das war am vorigen Wochenende beim Auswärtsspiel in Hannover auf einem Banner zu lesen.

Das kam bei Höwedes gut an. Obwohl er keine Spielminute bestritt, machte er sich nach dem Schlusspfiff auf den Weg Richtung Fantribüne. Einen Tag später bedankte er sich auf Facebook für den „riesigen Support“. Viele Insider deuteten diese Aktionen als Abschiedsgesten.

Höwedes kündigte in seinem Abschieds-Tweet an: „Ich werde als Fan im Stadion stehen und der Mannschaft die Daumen drücken, wenn es meine Zeit zulässt.“