Eine Pflegerin ist nachlässig, eine Patientin stirbt, der Pflegerin wird gekündigt: jetzt rückt das Klinikum Ludwigsburg ins Visier der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Ludwigsburg - Die Frage ist naheliegend, aber sie wurde bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht gestellt – noch nicht: Ist eine Pflegerin am Klinikum Ludwigsburg verantwortlich oder mitverantwortlich für den Tod einer 80-jährigen Patientin? Das Klinikum hatte ihr fristlos gekündigt, weil sie bei einer Nachtschicht im November 2015 offenbar ihre Aufsichtspflichten verletzt hatte. Die Patientin erlitt einen Herzstillstand und starb tags darauf. Am Dienstag hat das Arbeitsgericht in Ludwigsburg ihre Kündigung für rechtens erklärt.

 

Nun reagiert die Staatsanwaltschaft auf die umfangreiche Presseberichterstattung. „Wir haben keine Kenntnis von dem Vorfall gehabt“, sagt Jan Holzner, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Seine Behörde werde „ein Ermittlungsverfahren einleiten“, um „zu klären, ob hier eine Kausalität im Raum steht“. Immerhin sei es denkbar, dass sich die Pflegerin und Betriebsrätin am Klinikum durch ihr Fehlverhalten strafbar gemacht habe.

Verdi will Todesursachen vor Arbeitsgericht klären

Das Kuriose aus Holzners Sicht ist: wenn jemand eines nicht (ausschließlich) natürlichen Todes sterbe, dann werde das im Totenschein vermerkt und automatisch an die Staatsanwaltschaft weiter geleitet. Offenbar haben die Ärzte im Klinikum aber eine natürliche Todesursache vermerkt. Das Klinikum will sich dazu nicht äußern.

Mit der Aufnahme von Ermittlungen wirft die Staatsanwaltschaft eine Frage auf, die die Gewerkschaft Verdi am liebsten beim Arbeitsgericht geklärt haben wollte. Das Gericht habe überhaupt nicht eruiert, ob das Verhalten der Betriebsrätin, die auch Verdi-Mitglied ist, durch ihr angebliches Fehlverhalten überhaupt zum Tod der Patientin beigetragen habe, sagt Marc Kappler, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. „Die Ursachen des Patientenschadens wurden nicht erörtert“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Alarm 40-mal ignoriert oder weggedrückt

Diesen Fragen wird jetzt die Staatsanwaltschaft nachgehen. Beim Arbeitsgericht hatte der Anwalt des Klinikums nicht primär darauf abgehoben, dass die Patientin am Tag nach der besagten Nachtschicht der gekündigten Pflegerin starb. Vielmehr ging es ihm darum, dass die Mitarbeiterin bis zu 40-mal den Alarm bei der 80-jährigen Patientin ignoriert oder weggedrückt habe. Auf Hinweise von Kolleginnen habe sie genervt reagiert und gemeint, sie habe die Lage im Griff. Statt einen Arzt zu alarmieren, weil die Sauerstoffsättigung im Blut der 80-Jährigen zu gering war, habe sie laut Aussage von Kolleginnen ein Buch gelesen.

Verdi und der Betriebsrat widersprechen dieser Argumentation. Der Anwalt der Mitarbeitervertretung machte vor Gericht geltend, dass es allein 2015 fast 200 Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern am Klinikum gegeben habe – allerdings keine einzige davon auf besagter Überwachungsstation. Verdi teilt mit, dass das Überwachungsgerät bei der Patientin nicht korrekt funktioniert habe. Eine Darstellung, der das Klinikum vehement widerspricht. „Das Messgerät war zu 100 Prozent nicht fehlerhaft“, sagt der Sprecher Alexander Tsongas. Abgesehen davon habe jeder Mitarbeiter die Gelegenheit, defekte Geräte zu melden, innerhalb von einer Stunde werde so etwas beseitigt. Nachts gebe es außerdem Ersatzgeräte.

Ob der Betriebsrat gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vorgehen will, war am Mittwoch nicht zu klären. Prinzipiell hätte er das Recht, beim Landesarbeitsgericht dagegen Klage einzureichen.