Im Gegenzug für die Zahlung an die Gläubiger darf die Familie übertragene Vermögenswerte behalten. Woher Schlecker plötzlich Geld für die Gläubiger hat, ist allerdings unklar geblieben.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Womöglich ist es die letzte Pressemitteilung gewesen, die am Dienstag in Sachen Anton Schlecker verbreitet wurde. Und es verwundert nicht, dass dieser Schlussakkord einer langen, quälenden Pleite, eine der dramatischsten der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte, als Vermeldung eines Deals daherkommt. „Schlecker erkennt Anfechtungen von Vermögensübertragungen an“, überschreibt der Ulmer Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz seine Meldung. Freiwillig wird die Familie 10,1 Millionen Euro in die Insolvenzmasse zahlen. Im Gegenzug darf sie „übertragene Immobilien und Sachgüter“ behalten. Welche Gebäude das sind? „Zu einzelnen Positionen wurden öffentlich keine weiteren Angaben gemacht“, bescheidet Geiwitz.

 

Vielleicht ist es Geiwitz nicht bewusst, aber es sind exakt solche Verschwiegenheitsformulierungen, die das Image des Drogeriekönigs mitprägten und ihn am Ende ein Misstrauen und eine Mitleidlosigkeit spüren ließen, der er wohl selber nie vermutet hätte. Denn seit Sommer vergangenen Jahres schon ist bekannt, dass Anton Schlecker alles Mögliche in Bewegung setzte, um zumindest sein villenähnliches, auf mehrere Millionen Euro geschätztes Wohnhaus in Ehingen behalten zu können. Als zunächst die „Bild“-Zeitung berichtete, Schlecker habe ein Gebot auf sein Haus abgegeben, kamen keine Dementis. Wie alles, was der Kaufmann besaß, auch Autos, Uhren oder Schmuck, war das Gebäude der Insolvenzmasse zugerechnet worden. Der Erlös aus geplanten Zwangsverkäufen sollte dazu beitragen, die Gläubiger wenigstens zu einem kleinen Teil zu entschädigen.

Anton Schlecker hatte kurz vor Insolvenzantrag ein Haus gekauft

Schlecker hatte sein Haus im Jahr 2009 per Notarvertrag an seine Ehefrau übertragen, zu einem Zeitpunkt, so mutmaßt die Staatsanwaltschaft Stuttgart, als die drohende Pleite der Drogeriekette längst unübersehbar geworden sei. Die Ehefrau bezog in den letzten Jahren darüber hinaus für ihre Arbeit in der Ehinger Schlecker-Zentrale ein Monatsgehalt von mehreren Zehntausend Euro. Bekannt ist nun auch, dass ein Logistikzentrum in Pöchlarn, Österreich, durch die Zahlung der gut zehn Millionen Euro im Besitz der Familie bleibt. Anton Schlecker hatte es nur Tage vor der Anmeldung der Insolvenz im Januar 2012 an seine Kinder Lars und Meike verkauft.

Nun, so Geiwitz, werde ein „aufwendiges Gerichtsverfahren, das die Insolvenzmasse belasten würde, obsolet“. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihr Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Bankrotts, der Untreue und der Insolvenzverschleppung fallen lassen wird. Eine Sprecherin sprach lediglich von einem möglichen strafmildernden Effekt, sollte es zu einem Prozess kommen. Im Juli vergangenen Jahres waren bei einer Großrazzia Büros und Privatwohnungen von Familienmitgliedern und Firmenmanagern in Ehingen, in den Kreisen Ludwigsburg und Zollernalbkreis sowie in Berlin, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht worden. Betrügerischer Bankrott, informierte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft seinerzeit, könnte mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.

„Es ist nichts mehr da“

Zumindest die Gläubiger der Schlecker-Pleite, so suggeriert es die Pressemitteilung vom Dienstag, sind besänftigt. „Der Gläubigerausschuss hatte (. . .) der Liste der Anfechtungen sowie den Gutachten über den Wert der betreffenden Positionen vollumfänglich und einstimmig zugestimmt“, teilt Insolvenzverwalter Geiwitz mit. Nach deutschem Insolvenzrecht müssen Vermögensübertragungen bis zu fünf Jahre vor einer angemeldeten Insolvenz rückgängig gemacht werden. Im Fall Schlecker, schreibt Geiwitz, seien sogar alle Geschäftsvorfälle im In- und Ausland geprüft worden, die bis zu zehn Jahre zurücklagen.

Was Gläubigervertreter offenbar beruhigt, dürfte viele der einstmals 34 000 Beschäftigten kaum besänftigten. Von einem „Schlag ins Gesicht“ sprach am Dienstag der linke Sindelfinger Bundestagsabgeordnete Richard Pitterle. Unvergessen ist die Pressekonferenz am 30. Januar 2012 in der Ehinger Schleckerzentrale. Der Insolvenzantrag beim Ulmer Amtsgericht war gerade eine Woche alt gewesen, das sagte Maike Schlecker in die Mikrofone: „Es ist nichts mehr da.“

Als die Kritik an dem Unternehmer sich weiter verstärkte und immer mehr Details der Schieflage der Drogeriekette bekannt wurden, legten die Schlecker-Kinder in einer persönlichen Erklärung nach. Im Sommer 2012 teilten sie mit: „Der Satz ,es ist nichts mehr da‘, ausgesprochen auf der ersten Schlecker-Pressekonferenz zu Beginn der Insolvenz, war und ist absolut richtig“. Auch Arndt Geiwitz, hieß es, habe das „inzwischen mehrfach bestätigt“. Es gebe kein „signifikantes Vermögen“ mehr.

Wie und woher die Familie nun doch noch 10,1 Millionen Euro aufgetrieben hat, darüber ist am Dienstag keine Auskunft gegeben worden.