Seine Bilder erinnern an Otto Dix, Pablo Picasso, Edvard Munch oder Ernst Ludwig Kirchner: Bevor der Günter Grass sich einen Namen als Autor machte, versuchte er sich zunächst als Maler. In Lübeck kann man jetzt seine frühen Werke betrachten.

Lübeck - Einen Blick auf den frühen bildenden Künstler Günter Grass bietet eine Ausstellung, die von Donnerstag an im Günter-Grass-Haus in Lübeck zu sehen ist. Die Schau mit dem Titel „Don’t fence me in“ zeigt Zeichnungen, Aquarelle und Plastiken, die zwischen 1948 und 1952 während Grass’ Studium an der Kunstakademie Düsseldorf entstanden sind. Die Bilder galten lange als verschollen und wurden erst 2013 unter einer Treppe des Hauses gefunden, in dem Grass als Student gelebt hatte. Sie werden jetzt erstmals öffentlich gezeigt.

 

Zu sehen sind Arbeiten aus der Zeit, als der spätere Literaturnobelpreisträger („Die Blechtrommel“) noch nicht wusste, dass er einmal Schriftsteller werden würde. Sein erster Gedichtband „Die Vorzüge der Windhühner“ erschien erst 1956.

Als Student der Bildhauerei und Grafik in Düsseldorf experimentierte der junge Grass mit verschiedenen Kunststilen: Impressionismus, Expressionismus, Surrealismus, Kubismus. „Die Kunst der Klassischen Moderne, die unter den Nationalsozialisten verfemt war, galt Grass als Anknüpfungspunkt für seine eigenen Arbeiten“, sagte die Kuratorin der Ausstellung, Viktoria Krason, bei der Präsentation am Mittwoch. So erinnern viele der gezeigten Zeichnungen und Aquarelle an Bilder von Otto Dix, Pablo Picasso, Edvard Munch oder Ernst Ludwig Kirchner.

Insgesamt 150 Arbeiten unter einer Treppe deponiert

Als Grass Anfang 1953 von Düsseldorf nach Berlin zog, deponierte er die insgesamt 150 Arbeiten in einem Raum unter der Treppe, die in seine Düsseldorfer Dachwohnung führte - und vergaß sie. Jahrzehnte später entdeckte sein Nachmieter die Bilder. Als der ihm 2013 das Konvolut überreichte, fiel der inzwischen für seine Kombination aus Schreiben und Zeichnen berühmte Grass aus allen Wolken. „Das soll von mir sein?“ schreibt er in seinem letztem Buch „Vonne Endlichkait“, in dem er die Rückgabe der wiederentdeckten Arbeiten schildert.

„Die Ausstellung beleuchtet eine bislang unbekannte Seite des Künstlers Günter Grass, denn sie zeigt, wie sich seine charakteristische Bildsprache entwickelt hat. Deshalb ist sie ein besonders wichtiges Projekt unseres Hauses“, sagte Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa. Zugleich beleuchte sie auch das Lebensgefühl und den Studienbetrieb der Akademie in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der Ausstellungstitel „Don’t fence me in“ bezieht sich auf ein Lied des US-amerikanischen Country-Sängers Roy Rogers, das in der Nachkriegszeit in Deutschland populär war.

Ergänzt werden die Bilder, Zeichnungen und Skulpturen von Auszügen aus Manuskripten der Grass-Werke „Die Blechtrommel“, „Beim Häuten der Zwiebel“ und „Vonne Endlichkait“, in denen auf die Düsseldorfer Zeit Bezug genommen wird.

Grass war im April 2015 im Alter von 87 Jahren in Lübeck gestorben.