Gemeinde Dietramszell und Hindenburg Die Kette der Fehler beginnnt bei der Bürgermeisterin
Das ist ein Fehler, denn Gröbmaier, im Amt seit 2008, hat aus unterschiedlichen, wie so oft lokal teils nach-, teils nicht nachvollziehbaren Gründen keine große Lobby mehr: CSU, Grüne und Freie Wähler haben sich schon vor der im März anstehenden Kommunalwahl auf einen Christsozialen geeinigt, Michael Häsch, ein Hüne, Hühnerzüchter und Bauer aus einer Familie, die immer schon in der Politik war.
Die Dietramszeller Archivarin Agnes Wagner findet nun nicht nur das Protokoll von Hindenburgs Ernennung zum Ehrenbürger vom September 1926, sondern auch noch das der Beförderung Hitlers in den gleichen Rang vom März 1933. In der benachbarten Gemeinde Icking standen sie mal vor demselben Problem, das war 2005. Damals handelte die Gemeinde nicht, was formell in Ordnung ist. Ehrenbürgerrechte erlöschen mit dem Tod. Unlängst hat sich die Bürgervertretung in Icking dann aber doch einstimmig von den Ehrungen für (unter anderen) Hitler und Hindenburg von 1933 distanziert. Das war, als der Dietramszeller Karren schon fest im Dreck steckte.
Dies geschah am 10. Dezember, als acht von 16 anwesenden Dietramszeller Gemeinderäten gegen eine Distanzierung votieren. Zwei Frauen (von der CSU und von den Freien Wählern) argumentieren eher auf der Grundlage von Ignoranz und wollen ihre Altvorderen nicht diskreditiert sehen. Der Rest wählt, meist ohne Meinungsäußerung, halb aus Trotz, halb auf welcher Grundlage auch immer, gegen Gröbmaier, wie erzählt wird. Und es wird viel erzählt im Dorf. Eigentlich geht es da schon lange nicht mehr um Hindenburg, auch nicht um Hitler, sondern irgendwie ums Rechthaben, um alte, unbeglichene Rechnungen – und darum zu zeigen, wer der Stärkere sein kann. Heraus kommt ein „Knieschuss“, sagt Lindmeyr. „Punktueller Fehler, leider beim komplett falschen Thema.“ Und der „Aufschrei“ darüber sei absolut „okay“.
Die meiste Kritik wird hintenrum geäußert
In der, wie man sagen könnte, Revisionssitzung ein paar Tage später versuchen alle, das vorherige „Kommunikationsdesaster“ (Lindmeyr) wiedergutzumachen. Es gibt, ohne Namensnennung, eine Erklärung, die in eine Entschuldigung mündet. So, wie es angekommen war, wollte es nun begreiflicherweise wirklich keiner gemeint haben, zu spät. Peter Probst redet hernach sehr deutlich, aber auch versöhnlich, dann seine Frau, von deren Vorfahren einige im KZ waren und manche dort ermordet worden sind. Nachher gibt es Stimmen, die sagen, der eine oder andere im Raum habe sich, obwohl geklatscht wurde, zu sehr belehrt gefühlt von den „Zuagroasten“: „Und des mögen’s ned“, heißt es.
Amelie Fried legt ihrerseits in einem Beitrag in der „Jüdischen Allgemeinen Zeitung“ nach, worin sie den Gemeinrat trotz der zweiten Abstimmung scharf angreift, ihm fehlendes Pflichtgefühl vorwirft und den Versuch, die eigenen Vorfahren zu schützen.
Jetzt müssten sich erst mal alle beruhigen
Wie dem auch sei, der Teil der Geschichte, in dem Dorfbewohner hinter vorgehaltener Hand herumgranteln, ist der, der Sebastian Lindmeyr am wenigsten behagt, auch wenn er die, die so reden, für Vereinzelte hält. Es könne kein Argument sein, sagt Lindmeyr, ob jemand durch die Jahrhunderte mehr „Leute auf den Friedhof getragen“ habe als andere, Zugereiste, eh kein schönes Wort. Alle sind ja irgendwann von irgendwoher gekommen, das ist meistens auch der gemeinsame Nenner. Schließlich, sagt Lindmeyr weiter, habe die Gemeinde oft davon profitiert, dass „frischer Wind“ von draußen gekommen sei. Er legt nahe, die Klagen vor Ort darüber einzustellen, dass man von den Medien bis hin zu Jay Leno in dessen NBC-Show bitter durch den Kakao gezogen worden sei. Und die Hindenburg-Büste?
Man müsse, sagt Sebastian Lindmeyr, die Sache sich jetzt auch wieder beruhigen lassen. Wenig hilfreich sei, wenn auf Dietramszell gezeigt würde, als habe man da den überall virulenten Rechtsradikalismus auf einmal örtlich dingfest gemacht. Wahrscheinlich wird also Hindenburgs Büste demnächst einmal eine historisch korrekte und wissenschaftlich fundierte Erläuterung beigegeben. Wahrscheinlich wird aber auch der Name Hitler, der nie bis Dietramszell gekommen ist, im Zusammenhang noch eine Weile verknüpft werden.
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