An Silvester gibt es Geschenke, die nicht der Weihnachtsmann bringt. Die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Esslingen hat viele spannende Bräuche. Zeit, ein paar Wissenslücken zu schließen.

Die Orthodoxen feiern Weihnachten doch nicht am 25. und 26. Dezember, oder? Eine kurze Internetrecherche bestätigt: Weihnachten wird bei den meisten Ostkirchen am 6. und 7. Januar gefeiert, da sie sich nach dem julianischen Kalender richten. „Nein, wir haben schon gefeiert“, klärt aber Katerina Chrissoula von der griechisch-orthodoxen Kirche in Esslingen auf. Sie leitet regelmäßig Führungen durch die Kirche und weiß: Orthodox ist eben nicht gleich orthodox. „Wir feiern am 25. und 26. Dezember Weihnachten.“ Wobei es Ausnahmen gebe: Diverse Klöster in Griechenland richteten sich auch nach der julianischen Zeitrechnung. „Allerdings feiern wir tatsächlich Heiligabend nicht. Der Tag gehört bei uns noch zur Fastenzeit.“ 40 Tage vor Weihnachten werde begonnen, auf Milchprodukte und Fleisch zu verzichten.

 

Ikonenverehrung für den Segen der Heiligen

Wie konsequent, müsse jeder für sich entscheiden. Am ersten Weihnachtsfeiertag folge nach dem Gottesdienst das große Festessen. Traditionell gebe es gefüllte Gans oder Pute. „Wie bei Protestanten oder Katholiken auch“, sagt Chrissoula. Die Esslinger Gemeinde umfasse derzeit rund 6000 Mitglieder. Grundlage der Schätzung seien die Weihnachts- und Ostergottesdienste, bei denen die meisten Mitglieder aus dem Kreis anwesend seien. Genaue Zahlen gebe es nicht. Sie hätten kein Mitgliederverzeichnis, da es bei ihnen keine Kirchensteuer gebe. „Wir finanzieren alles über Spenden und Führungen durch die Kirche“, sagt sie. Bei der Bescherung müssen griechische-orthodoxe Kinder geduldig sein. Diese findet nämlich erst am 1. Januar statt. „Die Geschenke bringt bei uns nicht der Weihnachtsmann, sondern der Heilige Basilius in der Silvesternacht.“ Dabei handelt es sich um den Erzbischof von Caesarea in Kappadokien, der im vierten Jahrhundert im Gebiet der heutigen Türkei lebte und antiken Quellen zufolge bekannt für seine wohltätige Arbeit war. Dessen sogenannte „Basilius-Liturgie“ bildet eine wesentliche Grundlage für deren Gottesdienste. Im Bischofsgewand wird er auf Ikonen – also Bildnissen – dargestellt. Die Ikonenverehrung sei ein wichtiger Bestandteil ihres Glaubens. „Wenn wir die Ikone küssen, dann küssen wir nicht das Holz oder das Glas, sondern es gilt der Person, die darauf abgebildet ist“, so die Gläubige. Dabei werde um den Schutz der Heiligen gebeten.

Ein Kreuz wird in den Neckar geworfen

Den Gottesdienst könne jeder Interessierte besuchen. Dieser dauert immer an die drei Stunden und wird in altgriechisch gehalten, sagt Chrissoula. „Wir feiern auch Abendmahl, aber es läuft etwas anders ab.“ Dabei wird in einem Kelch Rotwein mit warmem Wasser vermischt und Brot hineingegeben und jeder Gläubige bekommt einen Löffel aus dem Kelch, erklärt Chrissoula. „Während Corona war das etwas schwierig. Zeitweise war es komplett verboten. Es wird nur ein Löffel benutzt. Der musste in einem zweiten Gefäß desinfiziert werden.“ Jedes Gemeindemitglied könne bereits als Kleinkind am Abendmahl teilnehmen.

Den Abschluss des orthodoxen Weihnachtsfests bildet der 6. Januar. An diesem Tag wird in Esslingen vom Priester ein Kreuz in den Neckar geworfen. Das sei die symbolische Taufe von Jesus Christus. In Griechenland wird das Kreuz ins Meer geworfen und die jungen Männer springen ins Wasser, um das Kreuz zu suchen. So wollen sie sich den Segen für das Jahr sichern. „In Esslingen hat sich bisher noch niemand getraut, in den Neckar zu springen“, sagt Chrissoula lachend.

Wer mehr über die Kirche erfahren möchte, kann eine Führung unter der Telefonnummer 01 77 / 6 71 09 65 buchen. Die Kosten betragen fünf Euro pro Person.