Der Streudienst im Winter gehört zu den traditionellen Aufgaben der Gemeinden. Das ist unumstritten. Aber die Wirtschaft im Südwesten macht jetzt Front gegen ein neues Gesetz.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Wirtschaft im Südwesten macht Front gegen ein neues Gesetz. Sowohl die Handwerkskammern als auch die Industrie- und Handelskammern im Land sehen in einer Änderung der Gemeindeordnung eine Gefahr für zahlreiche Unternehmen. Ein Gesetzentwurf, der derzeit zwischen dem Innenministerium und dem Wirtschafts- und Finanzministerium abgestimmt wird, sorge für eine „fast grenzenlose Freigabe kommunaler wirtschaftlicher Tätigkeit“, kritisiert Peter Kulitz, der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, in einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Wenn das Gesetz so verabschiedet wird, wird es für das Handwerk gefährlich“, sagt der Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags, Joachim Möhrle.

 

Was die Vertreter der Unternehmen auf die Palme bringt, wurde bereits in der grün-roten Koalitionsvereinbarung von 2011 niedergeschrieben. Jetzt, zweieinhalb Jahren nach dem Regierungswechsel in Stuttgart, soll aus der Absichtserklärung ein Gesetz werden. Damals hatte es im Abschnitt „Interkommunale Zusammenarbeit stärken“ allerdings nur geheißen, die Kommunen sollten mehr Möglichkeiten erhalten, über ihren eigenen Kirchturm hinaus zu kooperieren. Nach den Angaben der Kammern ist es dabei aber nicht geblieben. „Das Rad soll vor die Zeit von 2005 zurückgedreht werden“, sagt etwa Andreas Richter, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Stuttgart. Damals war die wirtschaftliche Tätigkeit von Städten und Gemeinden, insbesondere auf Druck der Landtags-FDP, deutlich eingeschränkt worden.

„Wir wollen keinen Handwerkern Konkurrenz machen“

Verständnis haben die Kammern durchaus dafür, dass Kommunen etwa im Bereich der Energieversorgung über ihre Grenzen hinweg zusammenarbeiten können – auch weil erst dies oft möglich macht, ihre Energieversorgungsunternehmen wieder von Konzernen wie der EnBW zurückzukaufen.

Nach Ansicht der Wirtschaftsvertreter können Städte und Gemeinden für viele Arbeiten oft bessere Preise anbieten, weil hinter ihnen eine Gebietskörperschaft steht, die kaum in die Insolvenz rutschen dürfte. „Damit können sie bessere Konditionen für Kredite bekommen und ihr Angebot preisgünstiger gestalten, das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung“, sagt nicht nur Möhrle.

Und noch eine geplante Änderung ärgert die Vertreter der Kammern: Im Augenblick muss eine Kommune, so sie in Wettbewerb tritt, nachweisen, dass sie eine Arbeit besser ausführen kann als ein privates Unternehmen – oder dass es dafür gar kein privates Angebot gibt. Dieser Passus der Gemeindeordnung soll nun entfallen. „Jetzt befreit man uns endlich von den Fesseln“, so zitiert der Handwerkspräsident Möhrle einen Bürgermeister. Dass die Städte solches erfreut, ist für IHK-Vertreter Richter klar: „Alle schauen, wo sie Geld herbekommen, die Kommunen müssen ihre Bauhöfe auslasten.“ Auf die Landtagsopposition setzen die Kammervertreter dabei nicht: Die CDU, so weiß die IHK Stuttgart, arbeite an einem fast gleichlautenden Gesetzentwurf.

Was für höchsten Ärger bei den Kammern sorgt, ist indes für Stefan Gläser, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Baden-Württembergischen Städtetags, lediglich „ein Sturm im Wasserglas“. Schon heute, so sagt Gläser, seien fast alle kommunalwirtschaftlichen Unternehmen über die eigenen Grenzen hinaus tätig, bei der Wasserversorgung ebenso wie bei der Abfallbeseitigung – und immer mit r Duldung der Aufsichtsbehörden. Den Gemeinden mehr Möglichkeiten zur Betätigung zu geben, sei eine alte Forderung des Städtetags, erklärt Gläser. Die Kommunen dürften nicht vom Wohlwollen der Aufsichtsbehörden abhängen, „wir brauchen Planungssicherheit“, sagt er. Und fügt hinzu: „Wir wollen keinem Handwerker Konkurrenz machen, dazu haben wir gar nicht die Leute.“ Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, dieses werde sich in Gesprächen mit dem Innenministerium für eine wirtschaftsfreundlichere Gestaltung des Gesetzes stark machen.