Oberbürgermeisterin Gabriele Zull sieht die Überprüfung des „Fellbacher Standards“ als unerlässlich für die Finanzierung der immensen Projekte der kommenden Jahre an – Gesamtkosten fürs Maickler-Schulzentrum liegen bei 80 Millionen Euro.

Fellbach - Auch wenn’s keine Hiobsbotschaft war, so dürfte die Ankündigung doch den meisten Betroffenen in Fellbach kaum gefallen: OB Gabriele Zull hat jetzt angekündigt, dass „wir die Gewerbesteuer in den nächsten zwei Jahren um jeweils zehn Punkte erhöhen“.

 

Zugleich räumte die Rathauschefin ein, dass eine solche Initiative „ganz sicher nicht zum Wunschprogramm einer neuen Oberbürgermeisterin gehört“. Dennoch habe sie sich von Finanzbürgermeister Günter Geyer überzeugen lassen – der Schritt sei unvermeidlich angesichts der anstehenden finanziellen Herausforderungen. Im Gegenzug habe die Stadt allerdings die Grundsteuer nicht erhöht, um die Belastungen nicht noch mehr zu steigern.

Was ist Pflicht und was ist Kür

Eine Etatrede ist traditionell eine Analyse der Situation und der Ausblick auf die nähere und fernere Zukunft. So riss auch Gabriele Zull in ihrer halbstündigen Rede zum Doppelhaushalt 2018/2019 viele derzeit relevanten Themen an – alles unter der Überschrift: Was ist noch machbar und was würde über die Verhältnisse gehen? Anders gesagt: „Was ist Pflicht und was ist Kür? Ich sage damit nicht, dass es keine Kür geben darf; aber wir müssen überlegen, welche das ist und in welcher Dimension wir sie uns leisten können.“

Leisten können will und muss die Stadt weitere Investitionen in den Bildungsbereich. Konkret geht es dabei um die gewaltigen Umstrukturierungen beim MaicklerSchulzentrum. Dort werde nun der erste Schritt mit dem Neubau der Grundschule samt Tiefgarage erfolgen, kündigte Zull an – Kostenpunkt allein hierfür 20 Millionen Euro. Zugleich stufte die Oberbürgermeisterin es als richtig ein, dass die zuvor angepeilte Gesamtkonzeption fürs Areal mit nochmals höheren Kosten überdacht wurde. Die jetzige Planung sei zukunftsorientiert und ein großer Schritt in die richtige Richtung. Dennoch: Auch diese Variante „bewegt sich immer noch bei Gesamtkosten von über 80 Millionen Euro“.

Umso mehr müsse weiterer Wohnraum in Fellbach geschaffen werden

Einen besonderen Schwerpunkt setzt die Oberbürgermeisterin bekanntlich seit ihrem Einzug ins Amtszimmer „vor einem Jahr und einer Woche“, wie sie am Dienstagabend vorrechnete, auf die sogenannte Wohnbauoffensive 2020. Unternehmen, Kindergärten oder auch die Stadtverwaltung suche „immer wieder händeringend nach Personal“. Doch die angeworbenen Kräfte müssten dann erst mal mit dem Auto oder dem gut vernetzten öffentlichen Personennahverkehr nach Fellbach kommen – weil es hier fast keine Wohnungen gibt. „Und für die, die hier aufgewachsen sind, besteht kaum eine realistische Chance, Wohnraum für die eigene Familie zu finden.“ Sei man dann doch fündig geworden, „muss man eigentlich geerbt haben, um ihn bezahlen zu können“, so Zulls Diagnose.

Umso mehr müsse weiterer Wohnraum in Fellbach geschaffen werden. Das sei auch keine Luxusaufgabe, sondern gehöre zur Daseinsvorsorge. Immerhin wurden jetzt die drei Areale unter dem Stichwort „Fellbach Süd“ – also altes Freibad, altes Hallenbad und Kühegärten – nach langem Anlauf auf den Weg gebracht. Zulls Devise: „Stillstand bedeutet Rückschritt.“

Eine Zukunft in der Wohnraum wieder verfügbar und bezahlbar wird

Durchaus mit erkennbarer Skepsis ging Gabriele Zull auf den sogenannten „Fellbacher Standard“ ein: „Fellbachs Infrastruktur ist sehr breit, vielseitig und hochwertig angelegt, was ja auch die Qualität der Stadt ausmacht.“ Aber all das müsse gepflegt und nach vielen Jahren des Gebrauchs oft saniert werden. „Hierfür wurde nichts zurückgelegt, das heißt, all das ist zusätzlich zum normalen Standard zu stemmen.“

Durchaus ein leichtes Zusammenzucken dürfte bei manchen Vereinsbossen wie normalen Vereinsmitgliedern Gabriele Zulls Kommentar zur städtischen Unterstützung beim Thema Leibesübungen auslösen. „Auch kannte ich es bisher nicht, dass die Stadt Fitnessstudios der Vereine bei Investitionen mit fördert.“ In Zeiten, in denen die Herausforderungen in Kindertagesstätten und Schulen und anderen Bereichen „mächtig sind“, müsse auch dieser „Fellbacher Standard“ auf den Prüfstand gestellt werden.

Insgesamt ist die Verwaltungschefin jedoch sicher, „dass wir gemeinsam Wege finden, die Stadt Fellbach mit einer verantwortungsvollen Finanzpolitik in eine gute Zukunft zu führen“, so Gabriele Zull. Eine Zukunft, „in der Wohnraum wieder verfügbar und bezahlbar wird, in der Unternehmen durch gute Infrastruktur gehalten und gewonnen werden und in der soziale Strukturen funktionieren“.