Bis auf FDP und AfD stehen die Gemeinderatsfraktionen weiter zum Expressbus-Projekt. Allerdings fordern sie die SSB auf, den Takt zu ändern und die Ampeln besser einzustellen.

Bad Cannstatt - Am 12. Oktober zeigte sich Stuttgarts OB Fritz Kuhn sichtlich begeistert vom neuen Expressbus. „Die Technik der Ampelschaltungen, die eine nahezu freie Fahrt ermöglichen, begeistert mich“, so das Stuttgarter Stadtoberhaupt bei der Probefahrt. Die neue Linie X 1 sei „ein sensationelles Modell auch für die anderen Busverkehre der Zukunft in dieser Stadt“.

 

Doch mit Beginn des Pendelverkehrs begannen die Debatten über Sinn und Zweck der Expressbusse, die meist leer sind und – zumindest in Bad Cannstatt – oft im Stau stehen. Wolfgang Arnold, Technischer Vorstand bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hat einige Schwachstellen ausgemacht (wir berichteten). Er wolle die komplexen Ampelschaltungen rund um den Wilhelmsplatz nochmals optimieren lassen. Was die schlechte Auslastung angeht, so bittet der SSB-Chef um Zeit und hofft auf die Stadtbahnlinie U 16, die mit dem Fahrplanwechsel in Betrieb geht. Am 11. Dezember wird es wohl eine erste interne Bestandsaufnahme geben, denn dann tagt der SSB-Aufsichtsrat.

„Die Linie benötigt mehr Zeit“

Auch die CDU sieht dem Termin mit Spannung entgegen. Fraktionsvorsitzender Alexander Kotz will – bei all der berechtigten Kritik – die neue ÖPNV-Verbindung nicht vorschnell wieder kippen: „Der Zeitpunkt ist nach fünf Wochen zu früh für große Korrekturen.“ Allerdings sei seine Fraktion mit dem aktuellen Verlauf des neuen ÖPNV-Angebots natürlich nicht zufrieden. Was die Kosten angehe, so will er das Thema „nicht dramatisieren“. Denn der Fraktions-Chef der CDU bewertet den Gemeinderatsbeschluss immer noch als richtig, einem innovativen Verkehrsprojekt, bei dem erstmals in Stuttgart eine Wechselspur gebaut wurde, eine Chance zu geben. „Die Linie benötigt mehr Zeit“, so Kotz. Allerdings müsse die SSB die Schwachstellen in den kommenden Wochen beheben.

„Wir müssen der neuen Linie mehr Zeit geben, sich zu beweisen“, betont auch Björn Peterhoff (Grüne). Zumal der Expressbus in den ersten Betriebswochen mit der Baustelle im Schwanenplatztunnel zu kämpfen hatte. „Zudem ist es nicht sein primäres Ziel, schneller als die Stadtbahn zu sein, sondern vor allem die U 1 zu entlasten“, so der Cannstatter Stadtrat. Und bis so ein zusätzliches SSB-Angebot angenommen werde, vergehe schon einige Zeit. Und das Fahrgastpotenzial am Wilhelmsplatz, an dem rund 40 Prozent der SSB-Fahrgäste umsteigen würden, sei definitiv vorhanden. „Ein großes Problem ist die Ampelsteuerung, die nicht wie geplant funktioniert“, weiß Peterhoff. Hier müsse nochmals optimiert werden. Was das Thema Stau in der König-Karl-Straße angehe, so müsse man sich die neuralgischen Punkte sehr gut anschauen. „Wir haben im Bereich der Eisenbahnbrücke stadtauswärts eine eigene Busspur beantragt – aber noch nicht beschlossen“, weist Peterhoff auf diese Option hin. Denn er sehe hier noch Möglichkeiten, Verkehr in Richtung Fellbach über die Mercedesstraße und die neue B 14 abzuleiten und so „Spielraum“ für eine Busspur zu schaffen. „Auch um den Wilhelmsplatz herum wäre dies möglich, das haben SSB-Berechnungen ergeben.“

Expressbus eine Krücke

„Im Prinzip ist der Expressbus eine Krücke, solange auf der Stadtbahnlinie U 1 keine 80 Meter langen Zügen eingesetzt werden können“, sagt SPD-Fraktions-Chef Martin Körner. Angesichts der geringen Auslastung war der 5-Minuten-Takt „wohl zu ambitioniert“. Vielleicht würden mehr Fahrgäste in den Bussen sitzen, wenn der Ausschuss Anfang des Jahres dem SPD-Vorschlag gefolgt wäre und die Strecke am Milaneo vorbei geführt hätte. Seine Fraktion warte die Aufsichtsratssitzung und die Inbetriebnahme der U 16 im Dezember ab. Denn das Projekt sei wichtig. Allerdings sehe er den künftigen Nutzen der Expresslinie eher in der City, wo er heute schon angenommen werde.

Auch Christoph Ozasek von der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke/PluS hält den 5-Minuten-Takt, für den sich die SSB-Verantwortlichen entschieden hatten, im Nachhinein für zu ambitioniert. „Zudem hätte einem so wichtigen Verkehrsprojekt etwas mehr Vorlauf gutgetan“, so Ozasek. Der verkehrspolitische Experte der Fraktionsgemeinschaft sieht das Hauptproblem ebenfalls am Wilhelmsplatz, wo seiner Meinung nach das Büro, das von der Stadt mit der Optimierung der komplexen Ampelsteuerung beauftragt worden war, keinen „guten Job gemacht“ habe. Hier müsse die SSB dringend nacharbeiten lassen. „Nach wie vor fehlt mir aber die Gesamtbetrachtung des Verkehrsknotens, vieles dort gleicht einem Stückwerk“.

Für Rose von Stein von den Freien Wählern, ist es ein „Unding“, dass teilweise leere Busse im 5-Minuten-Takt pendeln. „Der muss schleunigst angepasst werden“, so die Vize-Chefin der Rathausfraktion. Sie habe die neue Linie selbst ausprobiert und fast die doppelte Zeit benötigt. „Wir steckten minutenlang im Stau“, so von Stein. Zudem sei es für ihre Fraktion auch sehr fraglich, ob es sich die SSB angesichts des Fahrermangels leisten kann, schlecht besetzte Busse alle fünf Minuten auf die Reise zu schicken.

Und die FDP? Michael Conz hatte verkehrstechnisch größte Bedenken, was den Wilhelmsplatz angeht, und stimmte wie auch die AfD von Anfang an gegen das Projekt. Die Cannstatter FDP hatte ihren Unmut bereits nur wenige Tage nach Inbetriebnahme erneut geäußert und die X-1-Linie angesichts der Kosten als „teuren Rohrkrepierer“ tituliert.