Kein Verbot von Aufnahmen in Sitzungen: Der Bürgermeister zieht seinen Antrag zurück.

Gerlingen - Zuschauer sind im Gerlinger Gemeinderäte willkommen, und sie dürfen auch ihr Handy zücken, um ihre Eindrücke festzuhalten – wenn im Rat keiner etwas dagegen hat. Das ist nicht neu – und doch überraschend. Denn die Verwaltung mit ihrem Bürgermeister Georg Brenner an der Spitze wollte das ändern. Es sollte in der Geschäftsordnung des Gemeinderats ausdrücklich festgeschrieben werden, dass Ton- und Bildaufnahmen während Sitzungen verboten sind.

 

Dann wurde die Debatte über diesen Vorstoß am Mittwochabend zu einer Diskussion über Bürgerbeteiligung. Und der Bürgermeister Georg Brenner (parteilos) zog in der Folge den Antrag der Verwaltung zurück. Jetzt soll vor jeder Sitzung der Hinweis an der Wand erscheinen, dass Aufnahmen nur mit Genehmigung erlaubt sind.

Die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen würden das Recht einschließen, dass keine heimlichen Aufnahmen gemacht werden, hatte Brenner anfangs erläutert – per Foto, Video und Ton. „Man kann und sollte dies deutlich machen“, sagte er. Der Text, der auf der Präsentationswand im Ratssaal vor Sitzungsbeginn zu lesen sein sollte: „Bitte schalten Sie Ihr Handy auf lautlos. Ton- und Bildaufzeichnungen sind ohne Erlaubnis nicht gestattet. Danke.“

Grüne „tun sich schwer“

Er tue sich „unheimlich schwer“ mit diesem Ansinnen, meinte Rolf Schneider (Grüne), „heimliche Fotos lassen sich nicht verhindern, wir haben eine Kultur der Freiheit zu verteidigen“. Er wolle nicht erleben, „dass Besucher durch die Polizei hinausgeführt werden, weil sie fotografiert haben“. Das Gremium tue sich mit dem Verbot keinen Gefallen. Wie schon im Verwaltungsausschuss vor zwei Wochen erklärte Robin Kruck (Junge Gerlinger), „ziemlich nah“ bei Schneiders Aussage zu sein. Und er fragte nach den Konsequenzen, falls jemand gegen das Verbot verstoße.

Der Bürgermeister verdeutlichte, es gehe um Persönlichkeitsrechte, mit Smartphones seien heimliche Aufnahmen möglich. Öffentliche Sitzungen seien transparent, jeder sei eingeladen: „Wir beraten nur nicht-öffentlich, was zwingend nicht-öffentlich zu beraten ist.“ Wenn er heimliche Aufnahmen bemerke, weise er den Besucher auf das Verbot und das Hausrecht hin. Und falls sich jemand ungebührlich einmische, müsse nicht gleich die Polizei kommen – das könne aber die letzte Konsequenz sein, sagte Brenner.

Heimliche Aufnahmen im Ausschuss als Anlass

„Fotografiert wird man heute überall“, sagte Petra Bischoff (Freie Wähler) und erinnerte an den Anlass, über ein Verbot nachzudenken: Im Technischen Ausschuss seien bei einer Debatte über ein kritisches Bauvorhaben Aufnahmen gemacht worden. Das sei unangenehm gewesen, und sie wolle das nicht. Ulrike Stegmaier (Grüne) betonte: „Wir sind öffentliche Personen, das ist ein öffentlicher Ort. Wir entscheiden über Belange der Bürger, was sollen Verbote bewirken?“ Die Debatte sei „ein Glaubenskampf“, sagte Gabriele Badenhausen (CDU). Die Juristin führte aus: „Du darfst nicht fotografiert werden, wenn du das nicht willst. Wer uns hören und sehen will, kann herkommen, aber nicht dokumentieren.“ Brigitte Fink (SPD) meinte, „wir sind öffentlich und haben die Presse da“. Der Hinweis auf dem Bildschirm solle positiv formuliert werden.

Durch Berichterstattung werde Transparenz hergestellt, betonte der Bürgermeister, auch im Amtsblatt. Doch bevor es zu einer Kampfabstimmung komme, nehme er den Antrag zurück – und erläuterte die vielfältige Bürgerbeteiligung mit Stadtmarketingprozess und -entwicklungskonzept, mit Veranstaltungen zum Thema Flüchtlinge, das Bürgerbüro sei samstags besetzt, er gehe zu Vereinen. „Die meisten von Ihnen nehmen nicht wahr, was alles läuft.“ In Gerlingen werde viel getan, was andere nicht tun würden. Er finde es beachtlich, dass die Bürgerbeteiligung in der Diskussion so betont werde: Man positioniere sich vor den Wahlen 2019.

Rolf Schneider konterte: Was Brenner zusammengefasst habe, sei positiv, dies stelle auch niemand infrage. „Mir geht es darum, ob ich etwas verbieten will, sonst nichts.“ Brenner beendete die Debatte. „Wir haben das Thema im Ältestenrat besprochen und in der Verwaltung vorbereitet. Ich ziehe die Vorlage zurück. Der Tagesordnungspunkt ist erledigt.“