Leinfelden-Echterdingen ist etwas Besonderes, sagen die, die hier leben, schon lange. Ganz besonders ist aber auch, dass im Gemeinderat aktuell mehr Frauen als Männer sitzen – das hat leider noch Seltenheitswert. Verändert das die Arbeit?

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

L.-E. - Der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen hat etwas, was sonst derzeit wohl keine andere Kommune in Baden-Württemberg hat, nämlich mehr Stadträtinnen als Stadträte.

 

Zwar haben auch die Gemeinderäte von Eimeldingen, Hausen am Tann oder Hildrizhausen 50 Prozent Frauenanteil, also die Parität – aber eben nicht mehr. Im Fall von Leinfelden-Echterdingen sind es 14 Frauen und 12 Männer – auf Prozente umgerechnet, hat das Gremium aktuell einen Frauenanteil von genau 53,85 Prozent.

Diese Frauenmehrheit ist nicht durch die vergangene Kommunalwahl 2014 zustande gekommen, das damalige Ergebnis hatte 14 Stadträte und 12 Stadträtinnen. Sondern durch die Tatsache, dass zwei Männer ausgeschieden sind und zwei Frauen nachgerückt sind. Die beiden – Esther Bayha für die Freien Wähler und Marie-Céline Kühnel für die CDU – lagen auf den nächsten Listenplätzen und sind so nachgerückt.

„Der Weg zur Gleichstellung ist lang“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ingrid Grischtschenko, freut sich darüber: „Im Schnitt sitzen in den baden-württembergischen Gemeinderäten gerade mal 24 Prozent Frauen, in den Kreistagen sind es 19 Prozent, und selbst im Landtag noch nicht mal ein Viertel“, L.-E. sei damit also durchaus Vorreiterin. Baden-Württemberg habe dabei die „rote Laterne“: „In allen anderen Bundesländern ist die politische Partizipation von Frauen in den Parlamenten größer.“

Grischtschenko betont, dass die Grünen eine Frauenquote von 50 Prozent in der Satzung stehen haben. „Schon bei der Listenaufstellung müssen wir abwechseln und mit einer Frau anfangen“, erklärt Ingrid Grischtschenko. „Ungerade Plätze sind Frauenplätze, auf den geraden dürfen auch Männer kandidieren.“ Dies führe in allen Parlamenten dazu, dass die Grünen den Frauenanteil heben: „Ohne uns wären die Zahlen noch viel beschämender für eine moderne Demokratie.“ Die langjährige Stadträtin weiß: „Der Weg von der rechtlichen zur tatsächlichen Gleichstellung ist lang.“ Dabei gehe es darum, die „Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen sichtbar zu machen und in den politischen Institutionen einfließen zu lassen.“

Die Persönlichkeit soll überzeugen, nicht das Geschlecht

Grischtschenko ist es wichtig, dass sich diese Verteilung der Geschlechterverhältnisse nach der Kommunalwahl im Mai nicht wieder umkehrt, mindestens eine Parität strebt sie an. „Wir könnten es schaffen“, meint sie. Zumindest, was die Listen der Parteien angehe, habe man gute Voraussetzungen. „Aber die Leute müssen dann eben auch Frauen wählen, das ist klar.“ Im Wahlkampf will sie das Thema bewusst ansprechen und mit den Leuten darüber reden: „Schließlich haben wir erst kürzlich 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert.“

Ilona Koch ist die Fraktionsvorsitzende der CDU. Ihre Fraktion besteht aus vier Frauen und zwei Männern – ebenfalls eine Frauenmehrheit. „Wir haben das ohne Quote geschafft“, sagt sie. Auch die Liste für die kommende Kommunalwahl im Mai sei problemlos mit Frauen und Männern zu gleichen Teilen gefüllt worden. „Die Persönlichkeit muss überzeugen, nicht das Geschlecht“, sagt Koch.

Auf die Frauenmehrheit angesprochen, sagt die Stadträtin Judith Skudelny (FDP): „Huch, das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen! Aber ich freue mich diebisch, dass wir Frauen die Mehrheit stellen.“ Mit einem Augenzwinkern fügt sie an: „L.-E. war ja schon immer fortschrittlich.“ Das Klima im Leinfelden-Echterdinger Gremium sei sehr gut, sagt Skudelny, die auch im Bundestag sitzt. „Da werden vernünftige Leute reingewählt.“ Sie betont: „Wenn wir familienfreundliche Politik wollen, dann ist es gut, wenn Frauen da sind, um sie zu machen.“

„Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen“

Barbara Sinner-Bartels sitzt schon seit 1989 für die SPD im Gemeinderat, sie erinnert sich an Zeiten, in denen noch diskutiert wurde, „ob man Kinderbetreuung überhaupt braucht, ob die Kinder nicht bei der Mutter am besten aufgehoben wären“. Diese Zeiten seien glücklicherweise vorbei, sagt Sinner-Bartels, aber „Kommunalpolitik beschäftigt sich oft mit den Lebenszusammenhängen von Familien, also beispielsweise Kitas, Schulen oder Infrastrukturen.“ Gerade da sei das Wissen von Frauen besonders gefragt. Ob es im Mai nach der Wahl wieder eine Frauenmehrheit geben wird? Sie ist sich nicht sicher. „Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen, es kommt auf Erfahrung und Kompetenz an.“ Sie hält aber schon die Wahllisten der Parteien für einen wichtigen Geigerzähler: „Wenn erst auf Listenplatz 4 eine Frau auftaucht, und vorher nicht, ist das ein Signal.“

Esther Bayha von den Freien Wählern ist im Dezember 2018 in den Gemeinderat nachgerückt. Die Frauenmehrheit im Gremium spielt für sie aber keine große Rolle: „Für mich ist es wichtig, dass kompetente Menschen im Gemeinderat sitzen. Welches Geschlecht sie haben, ist nicht so wichtig.“ Dass auch Frauen im Gemeinderat vertreten seien, sei natürlich wichtig und sinnvoll, sie selbst wird sich auch wieder für die Kommunalwahl aufstellen lassen. „Wir haben aber leider für unsere Liste nicht genügend Frauen gefunden, um eine 50/50-Balance zu haben.“

Auch für Sabine Onayli ist das Thema wichtig. „Ich bin sehr stolz auf die Frauenmehrheit, die wir gerade haben“, sagt die Stadträtin (L.E. Bürger). „Frauen stellen etwas mehr als 50 Prozent der Bevölkerung und sollten auch dementsprechend repräsentiert werden.“