Der Gemeinderat Kernen hat mehrheitlich den Bau einer Aussichtsplattform im Naturdenkmal Sieben Linden beschlossen. Von Bürgern vorgeschlagene Alternativen hat er verworfen. Auch das Umfeld der Ruine Y-Burg wird aufgewertet.

Kernen-Stetten - Die umstrittene Aussichtsplattform, auch Skywalk oder Himmelsleiter genannt, wird gebaut. Der Gemeinderat Kernen hat sich in seiner Sitzung am Donnerstagabend mit einer Mehrheit von 15 zu sechs Stimmen bei einer Enthaltung für den 18 Meter langen Steg in einer filigranen Leichtbauweise aus dem Büro Schlaich, Bergermann und Partner entschieden. Das Büro ist einst vom in Stetten geborenen, mittlerweile international bekannten Bauingenieur Jörg Schlaich, gegründet worden. Der Aussichtssteg soll nicht nur eine Attraktion für die Remstal Gartenschau 2019 werden, er gilt auch als Hommage an den großen Sohn der Gemeinde.

 

In der von etwa 100 Menschen besuchten Sitzung im Bürgerhaus Stetten ist der Beschluss von vereinzeltem Beifall begrüßt worden, nachdem zuvor vor allem die Redebeiträge der Gegner mit kräftigem Applaus bedacht wurden. Im Gemeinderat äußerst ungewöhnliche Bravo-Rufe erntete der Vertreter der Offenen Grünen Liste (OGL), Christof Leibbrand, für seinen Antrag, den Beschluss um den Steg einem Bürgerentscheid zu unterwerfen. Die dazu nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, das wären 16 Stimmen gewesen, verfehlte der Antrag allerdings klar bei fünf Ja- und 14-Neinstimmen. Drei Räte enthielten sich.

Bei der Vorstellung des Projekts hatte zuvor der Kernener Bauamtsleiter und Beigeordnete Horst Schaal auf die geplante Lage hingewiesen, die für das Abstimmungsverhalten der Gemeinderäte eine große Bedeutung hatte. Der Steg entsteht auf der Nordseite, also da, wo er eine steil abfallende Hangkante überragt und die Besucher – das sind Wanderer – über den Wipfeln der darunter liegenden Büsche und kleinen Bäume stehen. Er ist an der Hangkante so schmal, dass er zwischen zwei jungen Bäumen durchpasst und den weitreichenden Blick in Richtung Weinstadt und das sich an dieser Stelle öffnende Remstal ermöglicht. Diese Sicht ist durch den schützenswerten Baumbewuchs des Naturdenkmals im Sommer verwehrt. Der Blick auf das Dorf Stetten von den beiden bestehenden Bänken aus, also auf der Nordwestseite, bleibt unverändert und benötigt eine solche Plattform nicht. Ebenso unverändert bleibt die artenreiche trockenwarme Südwestseite mit Felsbändern. An dieser Stelle lebt eine stattliche Bevölkerung von Zauneidechsen, eine selten gewordene Art. Der Gutachter empfiehlt allerdings, dort einige nicht standortgemäße oder das Biotop störende Pflanzen wie den Sanddorn zu entfernen, damit dieses Gelände seine Eigenart als Lebensraum auf Dauer behält.

Nach der bisherigen Schätzung kostet der Steg zwischen 150 000 und 200 000 Euro, weswegen die SPD-Gemeinderätin Ingrid Möhrle unter Verweis auf wichtige soziale Aufgaben der Gemeinde die Investition ablehnte. In der Sitzung erklärte der CDU-Gemeinderat Volker Borck allerdings, dass bereits sechs Unternehmer aus dem Ort ihre Bereitschaft erklärt hätten, ihre Arbeit kostenlos einzubringen, so dass nur die Materialkosten von der Gemeinde zu tragen sind. Er stellte daher den Antrag, nur 100 000 Euro bereitzustellen und die Kosten in dieser Höhe zu deckeln. Dies erhielt eine Mehrheit von 16 zu vier Stimmen bei einer Enthaltung. Nach Ansicht des Bauamtsleiters Schaal ist dies eine realistische Summe der verbleibenden Kosten.

Für die Aussichtsplattform ist ein Bauantrag zu stellen. Auch eine naturschutzrechtliche Genehmigung durch das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde ist notwendig, weil die Fläche sowohl als Naturdenkmal vor Veränderungen geschützt ist, als auch im Landschaftsschutzgebiet liegt, wo das Bauen erschwert ist. Wegen der minimalistischen Bauweise und der Standortwahl auf der Nordseite rechnet sich die Gemeindeverwaltung Chancen auf eine Genehmigung aus, wenn sie für einen ökologischen Ausgleich sorgt. Ein Gutachter kommt zum Ergebnis, dass die Beeinträchtigung der Schutzgüter Boden, Wasser und Pflanzen sehr gering sei, die Beeinträchtigung des Klimas und der Luft unbedeutend. Tiere seien nur in geringem Maße betroffen. Die Beeinträchtigung der Landschaft sieht er im Nahbereich als mittel, im Mittelbereich als gering an. Eine artenschutzrechtliche Untersuchung erhärtet das Ergebnis bezüglich der Tierwelt. Alle von Bürgern vorgeschlagenen Alternativen, um den Landschaftsbaustein „Sieben Linden“ zu schonen, sind durch den Beschluss verworfen worden. Den Gemeinderäten lagen ausführliche Unterlagen über alle Vorschläge vor.

Der Steg im Naturdenkmal Sieben Linden steht in einer Blickbeziehung zur Ruine Y-Burg, deren Umfeld ebenfalls als Remstalblick aufgewertet werden soll. Dort sollen unter anderem Wege und Rasenflächen befestigt werden. Die Arbeiten zielen darauf ab, die feuchte Wand der Ruine zu trocknen, Wasser besser abzuleiten und versickern zu lassen. Auch eine sichtgeschützte Fläche für mobile Toiletten soll entstehen. Die Ruine selbst bleibt unverändert. In diesem Fall fiel der Beschluss des Gemeinderats einstimmig aus.