Er liegt am Hang, wo Degerloch und der Stuttgarter Süden aneinanderstoßen: der El Palito, ein Gemeinschaftsgarten, in dem jeder willkommen ist. Dort lassen sich zum Beispiel auch Lebensmittel mit anderen teilen.
Degerloch - Ein Ort, an dem jeder sein darf, wie und wann er will. Ein Ort, an dem die Herkunft, soziale Schicht oder Sprache keine Rolle spielen und sich ein jeder mit Respekt begegnet. Ein Ort, an dem es grünt, blüht und gedeiht, mitten in der Stadt. Ein Ort, an dem Musik erklingt, die Nachbarn sich aber nicht dran stören – oder an dem, wenn sie es doch tun, der Konflikt kommunikativ gelöst wird.
Rund 3500 Quadratmeter
Die Idee, die hinter dem Gemeinschaftsgarten „El Palito“ steckt, klingt wie eine Utopie, und tatsächlich bezeichnet Stella Maris Culture, Mitglied im gleichnamigen gemeinnützigen Verein, den Garten als „Utopialand“. Aber dafür, dass die rund 3500 Quadratmeter, die sich ausbreiten zwischen Alter Weinsteige, Auf dem Haigst und Römerstraße eine Utopie, also per definitionem ein „Nicht-Ort“, sein sollen, sind sie sinnlich ziemlich erfahrbar: Die Verkehrsgeräusche von der nahen B 27 mischen sich mit Vogelgezwitscher, in die Nase dringen Kurkuma, Koriander und Co. von dem vegetarischen Gericht, das gerade an der Kochstelle zubereitet wird. Die Augen bleiben immer wieder an Details zwischen dem Grün hängen.
Beleg dafür, dass „El Palito“ tatsächlich existiert, ist aber auch seine zunehmende Präsenz im lokalen Geschehen. So hat es Mitte April eine gemeinsame Veranstaltung mit drei alteingesessenen Degerlocher Vereinen in der Alten Scheuer gegeben. In Kooperation mit dem Wein-, Obst-, und Gartenbauverein Degerloch, den Gartenfreunden und den Naturfreunden richteten die Palitos einen Abend zum Thema „Urban Gardening“ aus. Sie sorgten mit einer zweitägigen Kochaktion für das Catering – und damit für Staunen: „Es war, wie wenn Eltern zum ersten Mal zu ihren Kindern in deren Wohnung in die Stadt kommen und merken: ,Hey, die können ja was‘“, erzählt Vorstandsmitglied Martina Rodriguez. Ihr Vorstands- und Studienkollege Ben Kirschner hat „gerade bei dieser Veranstaltung rausgehört, dass wir total akzeptiert sind“. Zwar habe es am Anfang „ein bisschen einen Kulturclash zwischen uns und den Naturfreunden“ gegeben, aber das gegenseitige Interesse sei groß, „und wir sind offen für das immense Wissen der anderen Vereine“, sagt der Kunstakademiestudent.
Damit, dass der Garten für jedermann jederzeit so offen ist, wie es die Geister seiner Betreiber zu sein scheinen, fährt das Projekt „El Palito“ anscheinend gut im Bezirk. „Hin und wieder kommen ältere Herren aus Degerloch und setzen sich zu uns, um ihr Bier zu trinken“, erzählt das Vorstandsmitglied Silke Keim. Auch die lokale Prominenz habe sich schon blicken lassen: Der Sternekoch Vincent Klink habe sich für eine spezielle Tomatensorte aus dem „El Palito“-Gewächshaus interessiert und sei da gewesen und habe auch Geld gesammelt für den spendenfinanzierten Verein. „El Palito“ hat Wurzeln geschlagen im Bezirk.
Stöckchen auf Spanisch
Begonnen hat alles vor rund zwei Jahren. Nachdem es 20 Jahre lang im Dornröschenschlaf versunken war, wurde das Gelände am Hang wiederbelebt. „Ein paar Freunde hatten die Idee, einen öffentlichen Garten zu schaffen. Das Grundstück gehört dem Vater eines Mitgründers“, erzählt Silke Keim. Da galt es erst einmal, das Grundstück von abgeladenem Müll und wild wuchernden Brombeersträuchern zu befreien – von ihnen auch der Name: El palito heißt auf Spanisch das Stöckchen.
Nicht wild wuchernd, aber doch „ganz selbstständig“ hat sich das Projekt laut Keim in den beiden Jahren, die zwischen Gestrüpp und angelegten Wegen und Beeten liegen, entwickelt. Etwa 20 Mitglieder hat der eingetragene Verein offiziell. Auch einen siebenköpfigen Vorstand gibt es.
Damit hört es aber auch schon auf mit der Vereinsmeierei. Denn ein normaler oder gar stocksteifer Verein soll „Das Stöckchen“ eben nicht sein. „Es gibt gewisse Regeln. Aber wir geben nur den Rahmen vor“, sagt Keim. Dabei ist der Humus, auf dem das Miteinander im „El Palito“ gedeihen soll, der Respekt. „So lange man sich mit gegenseitigem Respekt begegnet, kann man sich hier frei entfalten und einbringen“, sagt Keim. So kann der Verein, der mehr Vereinigung ist, auch verschiedene Kurse und Veranstaltungen anbieten und Projekte starten. Beispielsweise das Food-Sharing-Projekt, das Bio-Lebensmittel vom Großhändler vor dem Nicht-Ort für Essbares, nämlich dem Müll, rettet.
Sich einbringen:
Wer sich ein-, etwas Brauchbares vorbeibringen oder gegen eine Spende Lebensmittel mitnehmen möchte, findet den Garten Auf dem Haigst 45. Informationen gibt es auch im Netz unter www.elpalito.de.