Die neue Schulart Gemeinschaftsschule kann nur überzeugen, wenn sie gut ausgestattet ist und genügend Lehrer zur Verfügung stehen.

Stuttgart - Grundsätzlich bringen Wirtschafts- wie Lehrerverbände der neuen Gemeinschaftsschule durchaus Sympathien entgegen. Beim DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) überrascht das weniger. Der Handwerkstag hat die Idee der Gemeinschaftsschule von Anfang an mitgetragen, hat sein Präsident Joachim Möhrle erst kürzlich erneut versichert. Doch hakt es bei den Rahmenbedingungen.

 

Der Industrie- und Handelskammertag reagiert ohnehin verhalten. Die Kammern warnen in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung davor, über der Einführung der Gemeinschaftsschule andere schulpolitisch bedeutsame Vorhaben zu vernachlässigen. „Baden-Württemberg braucht nicht nur Gemeinschaftsschulen“, betont Herbert Müller, der Präsident der IHK Region Stuttgart. Vielmehr fordern die Kammern, dass die Ganztagsangebote an Haupt- und Werkrealschulen sowie an beruflichen Schulen ausgebaut werden. Für die beruflichen Schulen fordern die Kammern in den kommenden drei Jahren jeweils 400 zusätzliche Lehrerstellen. Das Vorhaben Gemeinschaftsschule müsse spätestens nach fünf Jahren evaluiert werden. Erst danach sollte über eine gymnasiale Oberstufe nachgedacht werden. Keinesfalls dürften die Anforderungen gesenkt werden.

Schulen überzeugen mit guten Arbeitsbedingungen

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Marion von Wartenberg würdigt die Schulform als „ersten Schritt zur Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems“, kritisiert aber: „Die Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsschulen stimmen noch nicht“. Entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz der Gemeinschaftsschule bei den Eltern seien ausreichende Mittel für die Schulen und gute Arbeitsbedingungen für die Lehrer. Der DGB verlangt, dass alle Lehrer, die an Gemeinschaftsschulen eingesetzt werden, nach der Gehaltsstufe A 13 bezahlt werden. Diese gilt bisher nur für Gymnasiallehrer. Auch sollten Lehrer aller Schularten an den Gemeinschaftsschulen einheitlich 25 Stunden in der Woche unterrichten müssen. Haupt- und Realschullehrer haben eine Unterrichtsverpflichtung von 27 Wochenstunden.

Auch die für den Ganztagsbetrieb vorgesehenen zusätzlichen Stunden reichen nach Ansicht des DGB nicht aus. Die GEW geht ins Detail. Anstatt zwei zusätzlichen Stunden für Ganztagsbetrieb an drei Tagen beziehungsweise fünf Stunden für Viertages-Ganztagsschulen seien mindestens sieben Lehrerstunden notwendig.

GEW fordert zusätzliche Lehrerstunden

Abgesehen vom Ganztagsbetrieb stellt die GEW-Vorsitzende Doro Moritz fest, dass der Gemeinschaftsschule „eine Innovationsaufgabe zukommt, die nur erfüllt werden kann, wenn die Gemeinschaftsschule die dafür nötigen zusätzlichen Stunden erhält.“ Zwei zusätzliche Lehrerstunden pro Woche sieht das Ministerium für die neuen pädagogischen Konzepte vor. Damit können die gewünschten Lerngruppen nicht eingerichtet werden, hält Moritz dagegen. Die Regierung kalkuliert auf der Basis von 40 Gemeinschaftsschulen mit 60 zusätzlichen Deputaten, gegebenenfalls könne man nachsteuern und sparen, deutet das Kultusministerium in den Vorbemerkungen zu dem Gesetzentwurf an. Das hält die GEW für ausgeschlossen. Die Schulen sollten aus pädagogischen Gründen mindestens zwei Klassen pro Jahrgang haben, findet die GEW. Bei zahlreichen der 34 Starterschulen ist dies nicht der Fall. Dagegen erwarte das Land zu viel, wenn es für die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe 60 Schüler verlange.

Die Lebenshilfe befürchtet, dass zu wenig Sonderpädagogen vorgesehen sind und der Anspruch von behinderten Kindern auf gemeinsamen Unterricht mit nicht behinderten damit nur theoretisch bleibe. Die Lehrer müssten so zugeteilt werden, wie es dem Förderbedarf der Kinder entspreche.