In Baden-Württemberg gibt es durchaus Nachfrage nach der neuen Schulform Gemeinschaftsschule. Nur die Realschulen machen bisher allzu zögerlich mit, berichtet Kultusminister Andreas Stoch.

Stuttgart - Die Gemeinschaftsschulen breiten sich in Baden-Württemberg aus. Nachdem zum laufenden Schuljahr 42 solche Schulen an den Start gegangen sind, werden zum kommenden Schuljahr 2013/14 weitere 87 folgen. Aber nicht alle Schulen, die das wollen, kommen auch zum Zug. Laut dem Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hatten sich zunächst 120 Schulen gemeldet, 114 Anträge wurden als entscheidungsreif eingestuft, 27 blieben jedoch erfolglos, zumeist, weil nicht gesichert war, dass zwei Klassen pro Jahrgangsstufe zustande kommen. Andreas Stoch sagte: „Wir wollen möglichst viele gute Gemeinschaftsschulen, aber nicht möglichst schnell möglichst viele.“

 

Kultusminister Stoch: Wichtige Weichenstellung

Das Echo auf diese zweite Tranche von Gemeinschaftsschulen fiel unterschiedlich aus. Während Kultusminister Stoch von einer „wichtigen Weichenstellung“ sprach, meldete sich die Opposition mit Kritik zu Wort. Georg Wacker von der CDU-Landtagsfraktion warf dem neuen Kultusminister vor, er wolle die Bildungslandschaft „nach grün-roter Ideologie festzementieren“. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte den Start von gleich 87 Gesamtschulen „zu schnell, unkoordiniert und rein ideologisch motiviert“. Das Kultusministerium hätte zunächst die Schulentwicklung festlegen müssen. Auch fehle es an ausreichender Lehrerfortbildung und an Lehrplänen. Rülke warnte davor, die Gemeinschaftsschulen vor anderen Schultypen zu bevorzugen.

Kultusminister Stoch sieht die Schulpolitik vor zwei Herausforderungen. Zum einen müsse das Bildungssystem in eine Richtung entwickelt werden, die allen Kindern gute Zukunftsperspektiven biete. Dazu gehöre, dass der „wahnsinnige Druck der Auslese nach Klasse vier“ entfalle. Die Gemeinschaftsschule setze eben nicht darauf, die Kinder auf verschiedene Schulen zu verteilen.

Besser eine Gemeinschaftsschule als gar keine Schule

Zum anderen müsse die Landesregierung auf den Rückgang der Schülerzahlen reagieren. Laut Kultusministerium werden die Grundschuljahrgänge bis zum Jahr 2025 um zehn Prozent zurückgehen. In den weiterführenden Schulen sind es sogar 20 Prozent weniger. Stoch sagte, vor allem in Kommunen mit 5000 bis zu 10 000 Einwohnern sei die Gemeinschaftsschule eine interessante Option. Allerdings gehe es bei der Gemeinschaftsschule nur in zweiter Linie um Standortpolitik, also um den Erhalt von wohnortnahen Schulen vor allem im ländlichen Raum. Für die Genehmigung sei in erster Linie deren pädagogisches Konzept ausschlaggebend. Dazu zähle eine geeignete Sach- und Raumausstattung.

Volker Schumacher, der Rektor der Ulmer Ulrich-von-Ensingen-Realschule sagte, bereits jetzt weise seine Schulform eine sehr heterogene Schülerschaft auf. Kinder mit Realschulempfehlung treffen auf Zugänger von den Hauptschulen sowie „Rückläufer“ vom Gymnasium. Die Gemeinschaftsschule hält Schumacher auch deshalb für attraktiv, weil sie den Schülern entsprechend ihren Begabungen und Leistungen verschiedene Abschlüsse anbiete. Der Schulleiter berichtete, der Elternbeirat habe der Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule einstimmig zugestimmt, im Lehrerkollegium habe es eine Zweidrittelmehrheit gegeben.

Kein Gymnasium ist dabei

Allerdings: Unter den 87 künftigen Gemeinschaftsschulen finden sich nur vier Realschulen. Kein einziges Gymnasium ist dabei. Der CDU-Bildungspolitiker Wacker erkennt deshalb in den Gemeinschaftsschulen „nur ein neues Türschild für die bisherigen Haupt- und Werkrealschulen“. Bisher fänden sich an den Gemeinschaftsschulen lediglich zwölf Prozent Schüler mit Gymnasialempfehlung. Jedoch verfügen 28 Prozent über eine Realschulempfehlung. Norbert Zeller, der Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen im Kultusministerium, erwartet für die dritte Antragsrunde zum Schuljahr 2014/2014 bis zu 20 Realschulen. Er bezieht sich mit dieser Einschätzung auf entsprechende Interessensbekundungen. In einer Gemeinschaftsschule werden Schüler mit einer Empfehlung für Gymnasium, Realschule oder Hauptschule gemeinsam unterrichtet. Im Gegensatz dazu gibt es in Gesamtschulen Niveaukurse, auf welche die Schüler je nach Leistung verteilt werden.