Grün-Rot bringt die Gemeinschaftsschule voran. Die Opposition kritisiert, dass die neue Schulart im Vergleich zu anderen, wie etwa der Realschule, massiv bevorzugt werde. Die StZ geht diesem Vorwurf nach.

Stuttgart - Die neue Gemeinschaftsschule wird den Ruch nicht los, sie werde aus ideologischen Gründen von der grün-roten Landesregierung gegenüber andern Schularten bevorzugt. Besonders laut und regelmäßig klagt der Realschullehrerverband über die „Verschleierung anhaltender Benachteiligung von Realschulen“ durch das rote Kultusministerium. In der Landtagsopposition von CDU und FDP hat die Realschule gewichtige Fürsprecher. „Die Schullandschaft ist nach drei Jahren Grün-Rot in eine massive Schieflage geraten“, konstatiert Georg Wacker, der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Die Gemeinschaftsschule werde bei der Ressourcenzuweisung „massiv bevorzugt“, andererseits werde die Realschule „massiv benachteiligt“.

 

Realschullehrerverband wie Opposition verweisen auf die

Sachkostenzuschüsse und auf die unterschiedliche Anzahl von Lehrerstunden, die die Schulen zur freien Verfügung haben, die sogenannten Poolstunden. Bei den Sachkosten sind die Unterschiede augenfällig. So erhalten die Kommunen vom Land im Jahr 2014 für jeden Haupt- oder Werkrealschüler 1176 Euro im Jahr. Für Realschüler beträgt der Sachkostenbeitrag des Landes mit 582 Euro im Jahr nicht einmal die Hälfte. Ein Schüler an einem allgemeinbildenden Gymnasium wird vom Land mit 592 Euro jährlich bezuschusst. Die Gemeinschaftsschulen werden behandelt wie die Haupt- und Werkrealschulen. Auch für jeden Schüler der neuen Schulart erhalten Gemeinden, die eine Gemeinschaftsschule unterhalten, im Jahr 1176 Euro.

Zahlen vom Landesamt

Die Zuschüsse basieren auf den durchschnittlichen Schulkosten im Land. Diese ermittelt das Statistische Landesamt auf der Basis der Rechnungsergebnisse aller Kommunen. Zu den Sachkosten zählen der Unterhalt der Schulgebäude wie Heizung und Reinigung. Auch der Hausmeister und die Schulsekretärin sowie schulische Mitarbeiter wie Sozialarbeiter laufen über diese Posten. Je weniger Schüler eine Schule hat, desto höher sind diese Kosten pro Kopf. Gegenwärtig haben die Realschulen in Baden-Württemberg durchschnittlich 520 Schüler pro Schule, die Haupt- und Werkrealschulen dagegen nur 140. Die schülerbezogenen Sachkosten wie Lehr- und Lernmittel machen nach Auskunft von Gemeindetag und Kultusministerium nur zehn bis 20 Prozent der Sachkosten aus.

Auf die Gleichbehandlung der Gemeinschaftsschulen mit den Haupt- und Werkrealschulen haben sich das Land und die Kommunen verständigt, da die meisten Gemeinschaftsschulen aus Haupt- und Werkrealschulen hervorgegangen sind. Man gehe vorläufig davon aus, dass die Ausstattung und die sächlichen Anforderungen der beiden Schularten vergleichbar seien, erklärt der Gemeindetag. Die ersten Gemeinschaftsschulen haben vor zwei Jahren ihre Arbeit aufgenommen. Frühestens im Jahr 2016 werde es möglich sein, einen eigenen Sachkostenbeitrag für die Gemeinschaftsschulen festzusetzen. Erst dann rechnet der Gemeindetag mit belastbaren Ergebnissen der Schulkostenauswertung für die Gemeinschaftsschulen.

Andere Schulen haben weniger

Der zweite Streitpunkt zwischen Realschulen und Gemeinschaftsschulen sind die Poolstunden. Es könne keine Rede davon sein, dass die beiden Schularten vom Land gleichbehandelt würden, wenn es darum gehe, Schüler individuell zu fördern, klagt der Realschullehrerverband. Für die individuelle Förderung erhalten die Realschulen vom Land seit diesem Schuljahr pro Zug erstmals 2,2 Stunden pro Woche. Die Gymnasien bekommen 11,7, die Werkreal- und Hauptschulen zehn und die Gemeinschaftsschulen 24 Lehrerwochenstunden.

Die hohe Stundenzahl, die die Gemeinschaftsschulen zur freien Verfügung erhalten, erklärt sich laut Kultusministerium mit dem Konzept der Schulart. Als einzige unterrichte die Gemeinschaftsschule ihre Schüler auf drei Niveaustufen gleichzeitig und bereite auf drei verschiedene Schulabschlüsse vor. Die Konzeption fuße auf individualisierten Lernprozessen, die „schülerzentrierte Lern- und Unterrichtsformen“ notwendig machten. Das lässt der Realschullehrerverband nicht gelten. Ihre Schulen seien es, an denen die unterschiedlichsten Schüler zusammenfänden, nicht in den Gemeinschaftsschulen, heben die Realschullehrer hervor und verlangen deutlich mehr Lehrerstunden zur freien Verfügung.

Poolstunden für Pionierarbeit

Andererseits erledigen die Pioniere an den Gemeinschaftsschulen ein gewaltiges Pensum. Das räumen auch ihre Kollgen ein. Auch für die Pionierarbeit ist ein Teil des zusätzlichen Stundenpools gedacht. Vom Schuljahr 2016/17 an sollen die Gemeinschaftsschulen nur noch 18 Poolstunden erhalten, erklärt das Ministerium. Bis dahin hoffen die Realschulen ihrerseits auf eine deutliche Ausweitung ihrer individuellen Fördermöglichkeiten.

Gegenwärtig vermuten CDU und FDP, dass die Landesregierung durch die unterschiedlichen Zuweisungen den Realschulen die Umwandlung in Gemeinschaftsschulen schmackhaft machen will. Der Kultusminister Andreas Stoch (SPD) dagegen warnt davor, die Schularten gegeneinander auszuspielen. Er konzediert, „die Realschulen sind angesichts der zunehmenden Heterogenität der Schüler stärker belastet“ und verspricht ein eigenes Konzept für die Realschulen. Man arbeite „intensiv“ daran, versichert der Minister.