Gabriele Warminski-Leitheußer will mit Gemeinschaftsschulen und G-9-Zügen die neue Schulpolitik beginnen. Lehrerverbände sind skeptisch.

Stuttgart - Grün-rote Bildungspolitik wird nur erfolgreich sein, wenn die Kultusministerin den Wandel gezielt gestaltet". Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) legt den Finger in die Wunde, die das neueste Schreiben von Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) offenbart. Darin skizziert die Ministerin die bildungspolitischen Vorhaben der Landesregierung. Sie legt dar, dass sie beispielsweise Anträge auf Gemeinschaftsschulen genehmigen werde, wenn die Kommunen "tragfähige und pädagogisch anspruchsvolle Konzepte" vorlegen.

 

Dabei müsse die individuelle Förderung im Vordergrund stehen. Drei Wege seien vorgesehen: Gemeinschaftsschulen könnten in der ersten Klasse beginnen und bis zur Klasse zehn führen. Möglich ist auch der Anschluss an die vierjährige Grundschule bis zur Klasse zehn. Des Weiteren können alle weiterführenden Schulen sich zu Gemeinschaftsschulen entwickeln, bei ausreichender Schülerzahl sei auch die Einrichtung einer Sekundarstufe zwei möglich, die in den Klassen elf bis dreizehn zum Abitur führen kann.

Noch nicht einmal die Rahmenbedingungen sind festgelegt

Die Rede ist dabei von mindestens zwölf Schülern, die offenbar aus verschiedenen Schulstandorten kommen könnten. Die Ministerin berichtet bereits von zehn Gemeinden, die konkrete Vorhaben angemeldet hätten. Seit dem Regierungsantritt von Grünen und SPD hätten 50 Kommunen ihr Interesse am Konzept der Gemeinschaftsschule bekundet. Warminski-Leitheußer gesteht dabei ein, dass bei dem bildungspolitischen Lieblingskind von Grün-Rot noch nicht einmal die Rahmenbedingungen festgelegt sind.

Darauf pocht jedoch die GEW. "Projekte wie die Gemeinschaftsschule werden nur gelingen, wenn dafür zusammen mit pädagogischen Experten klare Kriterien und Konzepte entwickelt werden", mahnt Doro Moritz. Sie folgert: "Die Hauptarbeit liegt noch vor der Landesregierung." Bis Herbst müsse auch geklärt sein, wie viel Geld zur Verfügung stehe.

Berufliche Gymnasien könnten ins Hintertreffen geraten

Zur Vorsicht mahnt die GEW auch bei der Idee, parallel zum achtjährigen Gymnasium neunjährige Züge einzurichten. Warminski-Leitheußer will es möglich machen, auf Antrag den Stoff der Klassen fünf und sechs auf drei Klassen zu verteilen, quasi eine Zusatzklasse 6.1 einzurichten. Ab Klasse acht würden die Züge wieder parallel laufen. "Das Thema ist nicht abschließend geklärt und soll weiterhin ausführlich besprochen werden", erklärt die Ministerin und hat bereits GEW, Philologenverband und die beruflichen Schulen gegen sich aufgebracht.

Wenn allgemeinbildende Gymnasien neunjährige Züge anbieten und Gemeinschaftsschulen Oberstufen aufsetzen können, dann geraten die beruflichen Gymnasien ins Hintertreffen, befürchtet Margarete Schäfer, die Chefin des Berufsschullehrerverbandes. Die GEW warnt, die Meinungen über die besten Lösungen für die Baustelle G8 gingen weit auseinander. Bernd Saur, der Vorsitzende des Philologenverbands kritisiert, die Arbeitsgruppe, die einen G9-Zug erörtere, habe erst angefangen und die Ministerin verkünde schon den entscheidenden Punkt.

Die Unterstufe darf nicht zu einer verkappten Orientierungsstufe werden

Saur plädiert dafür, die Entlastung auf sieben Jahre zu strecken, also wieder eine elfte Klasse einzuführen. Die Belastung beschränke sich nicht auf die Eingangsklassen. Die Unterstufe dürfe nicht zu einer verkappten Orientierungsstufe werden. Er warnt mit Blick auf die Gemeinschaftsschule davor, "wohlklingende Formulierungen zu streuen, ohne die Auswirkungen zu bedenken".

Die Regierung plant, die Gesetzgebungsverfahren bis zum Frühjahr 2012 abzuschließen, damit die Reformen im Schuljahr 2012/13 umgesetzt werden können. Das gilt auch für die Abschaffung der Grundschulempfehlung.