Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Haben Sie Kollegen, die unfähig sind?
Ringwald Man kriegt schon mit, wenn jemand für diesen Beruf nicht geeignet ist.
Ist es ein Systemfehler, dass ein solcher Lehrer praktisch nicht entlassen werden kann?
Damm Die Schwierigkeit ist: Wer soll darüber entscheiden? Mein Direktor besucht regelmäßig meinen Unterricht und beurteilt die Junglehrerin Olivia Damm. Er ist aber kein Französisch- und Musiklehrer wie ich.
Sie sprechen das Fachliche an. Die größten Defizite liegen aber meistens auf der zwischenmenschlichen Ebene.
Damm Es stimmt, dass es einzelne Kollegen gibt, die keinen Draht zu Kindern und Jugendlichen haben. Denen macht die Arbeit natürlich keinen Spaß.
Laut dem weltweit anerkannten Bildungsforscher John Hattie erzielen Lehrer, die mit ihren Schülern eine emotionale Ebene finden, die größten Lernerfolge.
Ringwald Hattie hat recht. Unsere modernen Lehrmethoden greifen nur bei Schülern, die zu eigenständigem Lernen in der Lage sind. Die anderen, und das ist die Mehrheit, benötigen eine Mami, die hinter ihnen steht und zu ihnen Sätze spricht wie „Das machst du toll“ oder „Freut mich, dass du diese Frage gestellt hast“.
Muss man sich als Lehrer mit dem Lebensstil der Jugendlichen beschäftigen, sich bei Facebook anmelden, ein Smartphone besitzen und „Germanys next Topmodel“ gucken?
Damm Verkehrt ist das nicht. Erstens versteht man die Schüler dann besser. Zweitens sind sie positiv überrascht, wenn sie merken, dass ihre Lehrerin nicht in einer völlig anderen Welt lebt als sie selbst.
Ringwald Für eine junge Lehrerin mag das zutreffen. Bei mir fänden das die Schüler seltsam, wenn ich mit ihnen über „Germanys next Topmodel“ reden würde.
Damm Dafür respektieren dich die Eltern mehr als mich. Schon allein, weil du selbst vier Kinder hast.
Welche Probleme beschäftigen Ihre Schüler?
Damm Mobbing via Facebook und WhatsApp nimmt massiv zu. Wir Lehrer können zwar über die Gefahren der neuen Medien aufklären, aber sonst nichts machen. Trotzdem kommen Eltern zu mir und klagen beispielsweise, dass ihre Tochter von einer Mitschülerin in einem sozialen Netzwerk als Schlampe beschimpft worden sei. Diese Eltern müssen sich bewusst werden, dass sie dafür verantwortlich sind, wie ihre Kinder mit Computer und Smartphone umgehen.
Haben diese elektronischen Medien auch Auswirkungen auf die Sprache der Jugendlichen?
Damm Oh ja! E-Mails, die ich von meinen Schülern bekomme, bestehen nicht mehr aus vollständigen Sätzen, dafür sind sie mit Rechtschreibfehlern und Smileys gespickt. In diesem furchtbaren „Ich gehe Bahnhof“-SMS-Stil reden die Jugendlichen leider auch zunehmend miteinander.
Ringwald Ich beklage, dass es durch das Internet keinen Wissenskanon mehr gibt. Man kann ja alles auf seinem Smartphone nachgucken. Ich bin aber nach wie vor der Überzeugung, dass jeder Mensch beispielsweise wissen sollte, wie ein Gesetzgebungsverfahren abläuft oder welche Befugnisse die Bundeskanzlerin hat.
Es ist Ihre Aufgabe, den Kindern so etwas beizubringen.
Ringwald Das will ich ja auch. Aber machen wir uns nichts vor: An unseren Gymnasien können wir keine allgemeine Hochschulreife mehr fabrizieren, sondern lediglich etwas Allgemeinbildung und Grundkompetenzen vermitteln. Die Universitäten müssten deshalb eine Art Eingangssemester anbieten und dann prüfen, ob ein Kandidat tatsächlich dazu in der Lage ist, Maschinenbau, Medizin oder Geschichte zu studieren.