Generationswechsel in Traditionsbetrieb Die Leonberger Metzgerei Hess bleibt in Familienhand

Alles bleibt in der Familie: Marlen und Max Pecoroni haben den Metzgereibetrieb im Leonberger Stadtteil Höfingen übernommen -sehr zur Freude von Seniorchef Roland Hess (rechts), der aber noch an Bord kommt, wenn es eng wird. Foto: /Simon Granville

Im Leonberger Stadtteil Höfingen wird seit fast 70 Jahren selbst geschlachtet. Das wird so bleiben. Der Chef Roland Hess zieht sich zurück, die Tochter Marlen und ihr Mann Max übernehmen.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Die Kundschaft der Metzgerei Hess ist seit Jahrzehnten gewohnt, dass der Chef tagein, tagaus links an der Fleischtheke steht. Roland Hess kennt seine Produkte in- und auswendig. Der Metzgermeister aus dem Leonberger Stadtteil Höfingen sucht die Tiere persönlich bei regionalen Landwirten aus, in seinem Betrieb wird als einzigem in ganz Leonberg noch selbst geschlachtet. Qualität und Tierwohl gehören zur Philosophie.

 

Doch in den vergangenen zwei Jahren war der Chef nicht mehr jeden Tag im Geschäft, gönnte sich bisweilen mehrere Wochen Urlaub am Stück. Stattdessen berieten zwei junge Männer die Kunden, welches Steak wie lange in der Pfanne braucht oder wie die Grillwurst besonders knusprig wird: Matthias Maisch und Max Pecoroni.

Während „Matze“ Maisch schon viele Jahre zum Familienbetrieb gehört, ist Pecoroni erst vor sechs Jahren in die Welt von Schnitzel, Roten oder Lyonern eingetaucht. Und zwar der Liebe wegen. Der heute 29-Jährige studierte in Stuttgart Betriebswirtschaft und Chinesisch als Fremdsprache. Eine Karriere bei einem Großkonzern mit Asien-Einsätzen war programmiert.

Doch dann lernte Max Pecoroni Marlen Hess erst kennen und mit der Zeit auch lieben. Die jüngste der drei Töchter des Hauses nahm ihren Freund nicht nur nach Hause mit, sondern auch in den Metzgereibetrieb. Immer tiefer drang der BWL’ler in die faszinierende Welt des kreativen Handwerks ein, lernte wie erfüllend die Zubereitung einer Wurst sein kann und wie sinnstiftend der bewusste Umgang mit dem Lebensmittel Fleisch ist. Parallel spürte das junge Paar, das ihr gemeinsamer Lebensweg sehr lange anhalten wird – sowohl privat, wie auch in der Metzgerei.

Hohe Investitionen für EU-Auflagen

Roland Hess hatte schon lange darüber nachgedacht hatte, wie es mit dem Familienbetrieb weitergehen könnte, den sein Vater Günter 1956 gegründet hatte. 1973 hatte der damals 15-Jährige seine Lehrer beim Vater angefangen, 1980 die Meisterprüfung abgelegt und 1991 den Laden in Höfingen übernommen. Die Geschäfte liefen gut – so gut, dass Roland Hess und seine Frau Petra zwischen 2004 und 2006 einen großen Umbau vornahmen: Ein neues Bistro wurde gebaut, der Kühlraum erweitert und ein Zerlegungsraum angelegt, um die EU-Auflagen für die eigene Schlachtung zu erfüllen. „Das war keine leichte Zeit, aber der entscheidende Schritt nach vorne“, sagt Hess heute.

Gewaltige Investitionen, jede Menge Herzblut und unendlich viel Lebenszeit für den eigenen Betrieb: und dann? „Es war für mich wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten zusammen, als Marlen und Max mich gefragt hatten, was ich davon hielte, wenn sie das Geschäft weiterführen“, sagt der nunmehrige Senior-Chef. Zum Januar haben die beiden, mittlerweile auch verheiratet, offiziell die Zügel in die Hand genommen.

Nachtschwärmer freuen sich über den Verkaufsautomaten

Schadet ein gemeinsames Geschäft mit 12 bis 15-Stunden Tagen nicht dem jungen Ehe-Glück. „Das geht nur in einer Partnerschaft“, sagt die 29-Jährige. „Außerdem sehen wir uns so doch viel mehr. Aber es war schon eine krasse Entscheidung, so viel Verantwortung, auch für die Mitarbeiter, zu übernehmen. Davor haben wir einen gehörigen Respekt, aber auch große Lust drauf.“

Denn in der Pforzheimer Straße wird nicht nur Fleisch und Wurst verkauft. „Das Catering ist ein wichtiger Teil“, sagt Marlen, die jetzt den Namen ihres Mannes trägt. „Dazu gehört auch der Verkauf von hochwertigen Fertiggerichten. Viele Kunden wollen aus unterschiedlichen Gründen nicht selber kochen, legen aber großen Wert auf Qualität.“ Rinderroulade, Sauerbraten oder Filet in Calvados-Soße, in Gläsern abgepackt, haben einen großen Absatz. Die fertige Currywurst ist ebenfalls äußert beliebt.

Und wer jenseits der Geschäftszeiten Lust auf „ebbes Guats“ hat, wird am Automaten fündig. Besonders in den Nachtstunden am Wochenende wird der stark frequentiert. „Viele Nachtschwärmer haben halt Hunger“, meint die junge Chefin aus eigener Erfahrung. Der Verkaufsautomat war eine der ersten Neuerungen, die das Paar eingeführt hat. Weitere werden folgen, um weitere Zielgruppen anzusprechen. Schon jetzt gibt es in der Metzgerei auch Vegetarisches.

Und der Seniorchef? Wir er dem Vorbild seines Vater folgen und einfach im Laden bleiben? „Wenn man mich braucht, bin ich natürlich da“, sagt Roland Hess. „Aber jetzt mehr Zeit zu haben, um in die Pfalz oder ans Mittelmeer zu fahren, ist eine verlockende Perspektive. Die Jungen machen das schon.“

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