Die Emperor-Vulkane ziehen sich gerade durch den Pazifik und biegen an einer Stelle scharf ab. Die Geoforscher streiten über die Bedeutung dieser Ecke.

Stuttgart - Ganze 6100 Kilometer lang zieht sich eine Reihe von Vulkanen von den Hawaii-Inseln bis hinauf zur Kamtschatka-Halbinsel im Osten Sibiriens. Wären nicht die meisten dieser Feuerberge längst erloschen und unter den Meeresspiegel gesunken, dürfte diese Hawaii-Emperor-Kette in der Rangliste der spektakulärsten Gebirgszüge ganz vorne mitspielen. Schließlich gehört zu dieser Formation mit dem Mauna Kea der höchste Berg der Erde, der zwar „nur“ 4205 Meter über dem Meeresspiegel aufragt, vom Meeresgrund bis zum Gipfel aber rekordverdächtige 10 203 Meter misst.

 

Besonderes Aufsehen erregt auch ein überdeutlicher Knick nahezu in der Mitte dieser Perlenkette von Vulkanen, über den Geoforscher seit Jahrzehnten erbittert streiten. Versuchen doch gleich zwei konkurrierende Theorien, diese Ecke im Vulkan-Gürtel zu erklären. Trond Torsvik von der Universität Oslo und dem Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum (GFZ) in Potsdam mit Kollegen schlichtet diesen Streit in der Zeitschrift „Nature Communications“ mit einem salomonischen Urteil: Beide kontrovers diskutierten Mechanismen hätten ihren Teil zum Entstehen dieser Vulkankette mitsamt ihrem spektakulären Knick beigetragen.

Hundert Kilometer dicke Platten bilden die Oberfläche der Erde

Wie so häufig in den modernen Naturwissenschaften stecken hinter diesem einfach klingenden Schiedsspruch aufwendige Modellrechnungen am Computer vor dem Hintergrund schwer vorstellbarer Vorgänge in und auf unserem Planeten. So bilden mehrere rund hundert Kilometer dicke Erdplatten aus recht starrem Material die Erdoberfläche. Diese bewegen sich mit einem Tempo von wenigen Zentimetern im Jahr. Darunter besteht der Erdmantel zwar ebenfalls aus festem Gestein, das sich aber auf Grund der hohen Temperaturen und des hohen Drucks in dieser Tiefe ähnlich wie Knetgummi verformen lässt.

Noch eine Etage tiefer liegt der 3000 bis 5000 Grad heiße Erdkern aus einer geschmolzenen Eisen-Nickel-Mischung. Da sich diese Hitze von unten ungleichmäßig auf den Erdmantel in der nächsthöheren Etage verteilt, entstehen in diesem Knetgummi des Erdinneren extrem zähe und langsame Strömungen, die bis zu den Erdplatten hinaufreichen und diese einst in Bewegung gesetzt haben

Ein Hotspot frisst sich in die festen Erdplatten hinein wie ein Schweißbrenner

Mancherorts steigt das extrem zähflüssige Gestein aber auch wie ein gigantischer Schlauch tief aus dem Erdinneren in die Höhe. Ein solcher Hotspot kann bis zu 200 Kilometer Durchmesser haben und frisst sich wie ein Schweißbrenner in die festen Erdplatten hinein. Dort entsteht Magma, das sich sammelt und weiter aufsteigt, weil es leichter ist als das kühlere Gestein der Erdplatte. Erreicht diese Masse den Meeresboden, bricht ein Unterwasser-Vulkan aus, der langsam in die Höhe wächst. Bleibt der Nachschub nicht aus, durchbricht der Vulkan nach einiger Zeit den Meeresspiegel und wächst dort weiter.

Gleichzeitig aber wandert die Pazifik-Platte mitsamt Hawaii langsam weiter und nach vielen Jahrtausenden verliert der Vulkan seine Verbindung zum Hotspot, der nach bisheriger Lehrmeinung nicht wandern sollte. Ohne Lava-Nachschub wächst der Vulkan nicht mehr weiter. Regenfälle schwemmen Material vom Kraterrand nach unten, an der Küste nagen die Wellen an der Insel und der erloschene Vulkan schrumpft, bis er irgendwann unter dem Meeresspiegel verschwindet. Längst hat sich dann aber der Hotspot etliche Kilometer entfernt erneut in die Erdplatte geschweißt und ein neuer Vulkan bricht aus.

Vulkan-Ketten entstehen im Lauf von Jahrmillionen

In vielen Jahrmillionen entsteht so eine lange Kette von Vulkanen – darunter die 6100 Kilometer lange Hawaii-Emperor-Kette mit dem 60-Grad-Knick am rund 47 Millionen Jahre alten Daikakuji Seamount. Ursprünglich erklärten sich Geologen diesen Knick damit, dass sich die Bewegung der Pazifischen Platte vor 47 Millionen Jahren abrupt geändert hat. Genau das zeigen auch die Modellrechnungen von Trond Torsvik. Auslöser des Abbiegens könnte die Izanagi-Platte gewesen sein, die einst zwischen Hawaii und Japan die Pazifische und die Eurasische Platte voneinander trennte. „Die Izanagi-Platte tauchte vor rund 47 Millionen Jahren endgültig in die Tiefe ab“, sagt GFZ-Forscher Bernhard Steinberger. Dadurch könnte eine zusätzliche Kraft die Pazifische Platte in eine andere Richtung geschoben und den Knick in der Vulkankette erzeugt haben.

Modellrechnungen zeigen jedoch, dass in diesem Fall das nördliche Ende der Emperor-Hawaii-Kette mit dem Detroit Seamount 800 Kilometer weiter im Süden liegen müsste. Da dieser längst erloschene Vulkan aber kaum auf der Erdplatte wandern kann, muss sich der Hotspot bewegt haben. „Tatsächlich zeigen Modelle der Strömungen im Erdmantel, dass sich Hotspots normalerweise ein paar Millimeter im Jahr bewegen können“, so Steinberger.

Modellrechnungen liefern keine Anhaltspunkte

Allein kann eine solche Bewegung des Hotspots den Knick aber auch nicht erklären: Entweder müsste der Hotspot dann in südöstlicher Richtung unterwegs gewesen sein. Dafür liefern die Modellrechnungen aber keine Anhaltspunkte. Oder der Hotspot müsste mit 42 Zentimetern im Jahr nach Süden gewandert sein. Dann müsste aber der nördliche Teil der Kette nicht 33 Millionen, sondern nur fünf Millionen Jahre älter als der südliche Teil sein. Auch diese Möglichkeit gilt als ausgeschlossen. Übrig bleibt nur eine Kombination aus einer raschen Richtungsänderung der Pazifischen Platte und einem Hotspot, der sich jedes Jahr ein paar Millimeter nach Süden bewegt. Diese Kombination zeigt im Computermodell denn auch ein ähnliches Ergebnis wie in der Natur – ein gutes Argument für ein salomonisches Urteil.

Auf den Kontinenten sind Hotspots eher selten

Stellen mit aufsteigendem heißem Gestein aus der Tiefe des Erdmantels sind auf der Erde nicht allzu selten. Besonders bekannt sind neben dem Hawaii-Hotspot im Pazifik weitere unter den Osterinseln und Samoa, sowie unter Tahiti und den Galapagosinseln. Im Atlantik gibt es Hotspots unter Island, den Azoren, den Kanaren und unter Tristan da Cunha.

Die dickeren Kontinentalplatten durchdringen Hotspots offenbar seltener als die mancherorts nur einige Kilometer dünnen Meeresplatten. Auf den Kontinenten sind Hotspots wie der Yellowstone-Supervulkan und vermutlich auch die Eifel in Deutschland daher eher Mangelware. Dort gibt es zwar meist vulkanische Erscheinungen wie aufsteigende Vulkangase oder Geysire. Lava-Ausbrüche sind dagegen sehr selten, dafür aber oft besonders heftig.