Der Landkreis Esslingen ist reich an besonderen geologischen Zeugnissen, so genannten Geotopen. Am 15. September ist der bundesweite Tag des Geotops: Ein guter Anlass, um fünf der interessantesten Beispiele im Kreis vorzustellen.
Vulkankrater, Höhlen, Wasserfälle, Sinterterrassen, Felsen und Fossilien: Der Landkreis Esslingen steckt voller Naturwunder. Am Albtrauf und im Albvorland seien die geologischen Zeugnisse dicht gesät, erklärt der Geologieexperte und Buchautor Reiner Enkelmann. Sie sind nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit, sondern auch Schätze, die es wert sind, besucht, erforscht und bewahrt zu werden. Dank dieser Vielfalt ist der Landkreis Teil des Geoparks Schwäbische Alb, der sich mit dem Titel „Schwäbische Alb Unesco Global Geopark“ schmücken darf – als einer von weltweit 213 solcher Orte in 48 Ländern.
Größter Vulkankrater: Randecker Maar Vor rund 17 Millionen Jahren entstand beim Ausbruch des Schwäbischen Vulkans das Randecker Maar. Als 1200 Grad Celsius heißes Magma durch die Erdkruste aufstieg und sich mit Grundwasser vermischte, kam es zu einer Wasserdampfexplosion, erklärt der Experte Reiner Enkelmann. Steinbrocken, Magma und Vulkanasche wurden kilometerhoch in den Himmel geschleudert und stürzten wieder herab. Es bildete sich ein riesiger Krater, auch Maar genannt, mit einer wasserundurchlässigen Füllung, der sich mit Regenwasser füllte. Als die Kraterwand im Laufe der Zeit durch Wind und Wasser zerstört wurde, lief der Maarsee aus. Der Krater ist auch heute noch gut sichtbar, ebenso wie die verstreuten, mächtigen Gesteinsbrocken, sogenannte Massenkalkbrocken. Dieser größte Vulkankrater der Schwäbischen Alb wurde als „Nationaler Geotop“ ausgezeichnet und ist eines bedeutendsten Geotope Deutschlands.
Wo? Das Maar liegt rund 500 Meter entfernt vom Parkplatz „Randecker Maar“ bei Ochsenwang.
Schwäbisches Pamukkale: Sinterterrassen Gutenberg Man muss nicht in die Südwesttürkei zu Pamukkales Sinterterrassen reisen, um beeindruckende Kalkterrassen zu erleben. Auch an den Stufen der Weißen Lauter haben sich Terrassen und Becken aus Kalktuff, auch als Kalksinter bezeichnet, gebildet. „Die Talsohle der Lenninger Lauter ist mit bis zu 20 Meter hohem Kalktuff bedeckt“, erklärt Enkelmann. „Kalktuff entsteht, wenn Regenwasser Kohlendioxid aus der Luft und dem Boden aufnimmt, Kalk auflöst und mit in die Tiefe transportiert.“ Tritt das kalkhaltige Wasser wieder an die Oberfläche, erwärmt es sich. Das Kohlendioxid entweicht, dabei wird ein Teil des gelösten Kalks abgeschieden und bildet die Sinterschichten.
Wo? Das eindrucksvolle Naturschauspiel lässt sich gut von einer kleinen Brücke am Ortsausgang von Gutenberg besichtigen. Es lohnt sich aber, bis zur Mündung des Donnbachs zu spazieren, wo es weitere Kalkformationen gibt.
Ohne Pinocchio-Nase: Neidlinger Wasserfall Mitten im Wald gibt es ein weiteres Karstphänomen: den Neidlinger Wasserfall. Dieser baut sich aus Kalksinter seine eigene Nase, über die das Wasser in verzweigten Kaskaden acht Meter in die Tiefe stürzt. Doch das Kalksinterpolster wächst nicht nur nach vorn, sondern erhöht auch das Bachbett der Lindach, deren Karstquellen den Wasserfall speisen. Von der an Pinocchio erinnernden Kalknase, die in den fünfziger Jahren noch beeindruckte, ist heute nur noch ein Näschen übrig. Im Winter wurde ihr die Last der Eismassen zum Verhängnis, und sie brach ab. Dennoch ist der Wasserfall einen Besuch wert – zumindest in der regenreichen Zeit. Denn in trockenen Sommern kann das Wasser völlig versiegen.
Wo? Vom Parkplatz „Bahnhöfle“ an der Straße zwischen Schopfloch und dem Reußenstein sind es etwa 30 Gehminuten bis zum Wasserfall.
Affen und Tropfsteine: Gutenberger Höhle und Gußmannshöhle „Die eigentliche Sensation war der Affenknochen“, der in der Gutenberger Höhle gefunden wurde, sagt der Höhlenführer Siegfried Guggenberger „Das hat Staub aufgewirbelt. Ein Affe ist ein reiner Vegetarier, der nur in tropischen Gegenden überleben kann. Der Knochen war einer der ersten Beweise, dass es hier mal tropisch war.“ Im Höhlenlehm fand man Knochenreste von 35 Säugetierarten. Auch ein Wildhund war darunter. Mit solch spektakulären paläontologischen Funden kann die benachbarte Gußmannshöhle nicht aufwarten. Dafür beherbergt sie schöne Tropfsteingebilde, insbesondere in der Orgel- und der Turmhalle.
Wo? Die Höhlen befinden sich hoch über Gutenberg am Trauf der Schopflocher Alb. Vom Parkplatz „Gutenberger Höhlen“ führt der kürzeste Weg hinauf. Von Mai bis Oktober werden Führungen angeboten.
Tor zur Unterwelt: Binsenlache und Trichterdoline Pfulb Das Hasental ist eine der typischen, trockenen Karstlandschaften der Schwäbischen Alb. Kaum zu glauben, dass die Gegend durch fließendes Wasser entstanden ist, das schließlich in die Ur-Donau und die Ur-Lone gelangte, wie Enkelmann erklärt. Längst sind die oberirdischen Flussläufe in der Tiefe verschwunden, und jeder Regentropfen versickert im ewig durstigen Karstgestein. Wie eine Oase in der Wüste wirkt an diesem Ort die Binsenlache, ein Feuchtgebiet bestehend aus kleinen Tümpeln. Binsen- und Riedgräser wiegen sich im Wind. Auf Arznei-Baldrian, Weidenröschen und Dost finden Schmetterlinge einen reich gedeckten Tisch. Entstanden ist das Biotop auf einem verborgenen Vulkanschlot, dessen Gestein einen wasserundurchlässigen Puffer bildet. Bei ergiebigem Regen fließt das Wasser aus der Binsenlache in die nahe gelegene trichterförmige Doline, wo es an der tiefsten Stelle in einem sogenannten Schluckloch im Karstgestein verschwindet.
Wo? Zu finden ist das Geotop in der Nähe des Skilifts Pfulb im Hasental.
Veranstaltungstipp: „Dolinen auf der Schwäbischen Alb – Löcher zur Unterwelt“ – die Ausstellung wird am Sonntag, 22. September, um 16 Uhr im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb in Lenningen-Schopfloch (Vogelloch 1) eröffnet.