George Bailey war der Pianist des Stuttgarter Balletts. Sein Publikum in Weil der Stadt erfährt, warum er so begehrt war – und ist.

Die Leute standen Schlange, als das Klösterle am Sonntagabend seine Pforten öffnete. Der Kulturverein Manufaktur hatte geladen und knapp 200 Gäste füllten die alten Gemäuer – ausverkauft!

 

Bereits bevor die Veranstaltung offiziell begann, saß George Bailey am Steinway Flügel und spielte sich warm, sodass sich spät eingetroffene Besucher fragen konnten, ob sie wohl den Anfang verpasst hätten. Vielleicht aus alter Gewohnheit klimperte Bailey fingergymnastisch das, was ihm gerade so einfiel; so wie er es von früher kannte, bevor die Ballettproben begannen.

Immer hinreißend gute Laune

Dann ging Bailey nochmals zurück in die Garderobe, um Punkt 18 Uhr abermals die Bühne zu betreten – nun mit der Kulturjournalistin und Tanzdramaturgin Susanne Wiedmann.

Sie hat lange das Stuttgarter Ballett begleitet und nach einem Buch über Georgette Tsinguirides, Choreologin und Ballettmeisterin des Stuttgarter Balletts, nun ihr zweites Werk veröffentlich: Eine Biografie mit dem Titel „Cranko, Haydée – und ich, George Bailey.

Sowohl Tsinguirides als auch Bailey, beide hatten ihre Blütezeit in der John Cranko-Ära. Cranko (1927-1973) galt als Erneuerer des Balletts, der das Stuttgarter Ensemble weltberühmt machte. Bailey begleitete als Pianist über 40 Jahre lang das Training und die Proben des Stuttgarter Balletts. Dabei spielte er nicht nur Piano – durch sein Talent, einfach immer mitreißend gute Laune auszustrahlen, schaffte er es auch mit Darstellerrollen auf die Bühne.

Nun durfte das Weil der Städter Publikum an seinen Entertainment-Qualitäten teilhaben, die er im Gespräch mit Wiedmann eindrücklich ausspielte. Die Besucher klebten förmlich an seinen Lippen, wenn er Wiedmanns Fragen beantwortete – und dies nicht nur in ausgesprochen gewähltem Deutsch, sondern auch mit hinreißend humorvoller Mimik und Gestik.

Tröstende Umarmung

In ihrer Bailey-Biografie schildert die Kulturjournalistin die außergewöhnliche, ja schillernde Lebensgeschichte des 1944 in Denver geborenen Musikers. Gemeinsam gestalteten sie nun diesen Abend mit Lesung, Gespräch und Live-Musik. Es begann mit einem lockeren Dialog über den Ballettalltag. Mit Charme und Witz berichtete George Bailey über den Leistungsdruck, dem sich die jungen Ballerinas aussetzten – und wie wichtig dabei nette Gesten und eine kurze tröstende Umarmung gewesen seien.

Seine Kraft und Haltung hätte er aus dem Glauben geschöpft, der ihm auch half, als Schwarzer dreimal besser sein zu müssen als Weiße, um etwas zu erreichen. Bailey wurde in eine Musikerfamilie geboren. Sein Großvater war Violinist und Komponist. Dessen Haus war Treffpunkt für Jazzmusiker wie Duke Ellington und Count Basie. So gesehen also keine schlechten Ausgangsbedingen für ein erfolggekröntes Leben. Von seiner Mutter, einer studierten Pianistin, erhielt George Bailey Klavierunterricht, bevor er an der University of Denver Kunst und Musik studierte. Nur knapp entging er dem Vietnamkrieg und kam zum Militärdienst nach Heidelberg, wo er Pianist des 7th Army Soldiers Chorus bei der US Army war.

Begehrter Meister seines Fachs

Auf der Party eines Stuttgarter Zahnarztes lernte er John Cranko kennen, der ihn schließlich in seine Kompanie aufnahm. Weltbekannte Choreografen wie John Neumeier und Maurice Béjart wollten später ausschließlich mit ihm als Pianisten arbeiten. Die ehemalige Primaballerina Marcia Haydée sagte über ihn: „George hat nicht nur Klavier gespielt, er hat uns verstanden. Er hat uns Kraft gegeben“.

Welche Kraft er auch beim Klavierspiel transportiert, zeigte Bailey nach den, von Wiedmann vorgetragenen, Auszügen aus der Biografie. „Summertime“, „Foggy Day“ oder „Don’t Worry Be Happy“ gingen nahtlos in Tschaikowskis „Nussknacker“ über, bevor es noch Anklänge an Offenbach und Smetana gab. Die jazzige Seite des Pianisten wurde zudem noch mit einer wundervoll swingenden Tremolo-Falsettstimme garniert.

Verwirklichtes Lebensmotto

Baileys Kindheit war Thema im zweiten Teil des Plauderabends, bevor er das Publikum mit einer Reihe von Spirituals noch kurz in die „Black Church“ entführte. „Man muss jeden Tag versuchen, etwas Gutes zu machen, Schlechtes gibt es so vieles auf der Welt!“ gab er sein Lebensmotto preis.

Ihm scheint dies offensichtlich hervorragend zu gelingen.