In Walddorfhäslach entsteht ein Vorzeigeprojekt für Denkmalschutz und Energiewende: Historische Häuser werden nach der Sanierung mit Erdwärme beheizt und mit Strom aus einer Fotovoltaikanlage versorgt. Möglich macht es die Symbiose mit einem Neubau.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Walddorfhäslach - Feuer und Wasser, Hund und Katze, Erdwärme und Altbau – all das sind scheinbar unüberwindbare Gegensätze. Der Erdwärme hingen lange gleich zwei negative Etiketten an. Erstens könnten bei den Bohrungen schwere Schäden entstehen, was aber aufgrund strenger Regeln seit zehn Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Und zweitens eigne sich die Geothermie wegen der geringen Temperaturunterschiede im Boden nur für gut gedämmte Neubauten.

 

In Walddorfhäslach (Kreis Reutlingen) beweisen nun die Gemeinde als Hauptinvestorin, die Geothermie-Firma Baugrund Süd und das Unternehmen Jako, dass grüne Erdwärme und historische Gebäude eine hervorragende Symbiose eingehen können. So, wie sich Hund und Katze gar nicht so selten auch gut verstehen. Dieses Projekt ist in mehrerer Hinsicht einzigartig im Südwesten.

Teils jahrzehntelang standen in der Ortsmitte von Walddorf die Alte Molkerei von 1893, ein Bauernhof mit Schweinemast und das 300 Jahre alte Ensemble des Ochsenareals mit Gastwirtschaft und Scheunen leer und verrotteten. Die Firma Jako aus Rot an der Rot, die schon mehrere alte Häuser für das Freilichtmuseum Beuren abgebaut, renoviert und am neuen Ort wiederaufgestellt hatte, übernahm die Bauleitung.

Die Alte Molkerei, in der die Bauern noch bis zum Jahr 1997 ihre Milch abgaben, dient nun als ungewöhnlicher Ort für ein Kulturcafé. In das alte Hofgebäude sind Ärzte und Physiotherapeuten eingezogen, darüber liegen Wohnungen. Und ins Ochsenareal kommt – neben Wohnungen – das politische Herz der Gemeinde: der Ratssaal sowie der emotionale Kristallisationspunkt vieler Paare, der Trausaal. Es soll im Oktober fertig werden. Daneben entsteht ein Neubau mit 27 Wohnungen und kleinen Läden.

Meist fehlt mitten im Ort der Platz für die Erdsonden

Was ist nun aber das Besondere an dem Projekt? Es zeige sich dort, dass alte Häuser und gerade denkmalgeschützte sehr alte Häuser wegen ihrer natürlichen Baumaterialien oft sehr gute Dämmwerte mitbrächten und deshalb gut für die Geothermie geeignet seien, betont Matthias Binninger, der bei Jako für das Energiekonzept zuständig ist. Trotzdem wurde in Walddorfhäslach behutsam, teils versteckt im Außenputz, eine denkmalgerechte Dämmung zusätzlich eingebaut. Christoph Knepel, Mitglied der Geschäftsführung von Baugrund Süd in Bad Wurzach, ist überzeugt, dass die Geothermie im Altbau eine große Zukunft hat.

Weiter war es in Walddorfhäslach möglich, das leere Baufeld für den Neubau zu nutzen, um dort insgesamt 30 Erdwärmesonden in 130 Metern Tiefe zu legen – demnächst wird darüber die Bodenplatte gegossen: „Die Sonden sind so sicher, dass man während der 80-jährigen Lebensdauer nie wieder ran muss“, sagt Knepel. Normalerweise fehlt in den verdichteten Ortszentren die Fläche für Erdsonden – Walddorfhäslach zeigt nun einen Weg auch bei starker Bebauung der Umgebung.

So wird die Erdwärme nun über kurze Leitungen in den Neubau und in die denkmalgeschützten Häuser geleitet. Es handelt sich um ein sogenanntes „kaltes Nahwärmenetz“, was sehr selten ist: Die Sonden liefern Temperaturen zwischen fünf und zehn Grad, was ausreicht, um mit Hilfe einer Wärmepumpe (diese funktioniert nach dem Prinzip eines Kühlschranks) die einzelnen Häuser zu heizen, zu kühlen und mit Warmwasser zu versorgen.

Gebäude sind zu großen Teilen energieautark

Das Sahnehäubchen dabei: Auf den Neubau kommt eine große Fotovoltaikanlage, die den Strom für die Wärmepumpen liefert. So wird mehr als die Hälfte des Stroms und sämtliche Wärme selbst erzeugt. Binninger betont: „Die Energiekosten liegen im unteren Drittel des Heizspiegels“ – die Anlage sei also nicht nur klimafreundlich, sondern auch günstig. Und für Mieter und Eigentümer zudem komfortabel: Jako hat eine Tochter für die Energiesparte gegründet und bietet alles aus einer Hand. Die Firma saniert die Häuser, verwaltet sie und betreibt die Heizung – die Eigentümer haben also keine Investitionskosten, sondern bezahlen wie bei der Fernwärme nur die abgenommene Energie. „In dieser Konstellation ist das Projekt einzigartig“, sagt Knepel.

Für die Bürgermeisterin der Gemeinde, Silke Höflinger, ist das Areal jedenfalls ein Glücksfall „ganz ohne Schattenseiten“, wie sie sagt: Es bringt neue Wohnungen, man setzt auf erneuerbare Energien, man kann historische Gebäude erhalten, man stärkt den Einzelhandel, hält den Arzt am Ort, fördert die Kultur – und wertet die Ortsmitte mit einem wunderschönen Ensemble auf. Insgesamt werden 35 Millionen Euro investiert, von denen die Gemeinde zwei Drittel übernimmt. „Das war ein großer finanzieller Kraftakt“, sagt Silke Höflinger, gerade für eine so kleine Gemeinde mit gerade 5000 Einwohnern. Aber gelohnt hat es sich.

Keine Geothermie-Unfälle mehr seit dem Jahr 2011

Die Bürgermeisterin räumt allerdings, dass man am Anfang sehr genau geprüft habe, ob die Erdwärme an dem Standort wirklich ohne Risiko sei; es wurde ein eigener Sachverständiger eingeschaltet. Mittlerweile ist Silke Höflinger aber überzeugt, den richtigen Weg zu gehen.

Insgesamt war die Zahl der Erdwärmesonden in Baden-Württemberg nach den Unfällen in Staufen und Böblingen stark zurückgegangen. Zuvor wurden im Südwesten jährlich rund 4700 Bohrungen durchgeführt, in den letzten Jahren lag die Zahl im Schnitt bei 1600. Dabei gab es, seit das Umweltministerium im Jahr 2011 strenge Regeln eingeführt hat, keine neuen Unfälle mehr.