Die schwarz-gelbe Koalition will mit niedrigeren Rentenbeiträgen die Konjunktur stützen. Doch Kritiker fordern eine Demografiereserve.

Berlin - Die Bundesregierung hat eine Milliardenentlastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss, den Beitragssatz zur Rentenversicherung zum 1. Januar 2013 von zurzeit 19,6 auf 19,0 Prozent zu senken. Dadurch würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber um jeweils 2,7 Milliarden Euro entlastet, heißt es in der Kabinettsvorlage. Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten in der Eurokrise sorge die Regierung frühzeitig für Planungssicherheit, begründete Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Vorpreschen. Normalerweise würden Änderungen beim Rentenbeitrag erst im Herbst beschlossen, wenn verlässliche Wirtschaftsprognosen für 2013 vorliegen. Falls sich die Prognosen bis dahin noch ändern, will die schwarz-gelbe Koalition während der parlamentarischen Beratungen nachjustieren.

 

Gegen den Gesetzentwurf gibt es Widerstand aus den Reihen der Opposition, Gewerkschaften und Bundesländern. Die CDU/SPD-Landesregierung im Saarland will eine Beitragssenkung verhindern und stattdessen die Reserven der Rentenversicherung stärken. Auch die Gruppe der jungen Abgeordneten in der Unionsfraktion argumentiert, es sei sinnvoll, die Finanzpolster der Rentenversicherung zu erhöhen. Die Kritiker des Gesetzes verweisen darauf, dass wegen der demografischen Veränderungen in den nächsten Jahren ohnehin ein Anstieg des Beitragssatzes zu erwarten sei. Die schwarz-gelbe Koalition macht dagegen geltend, sie halte sich haargenau an die Rentenformel. „Verlässlichkeit ist das Kennzeichen der bürgerlichen Koalition“, sagte der FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober.

Entlastung in abschwächender Konjunktur sinnvoll

Der Streit entzündet sich an der Frage, ob die Reserven der Rentenversicherung ausreichend sind. Die gesetzlich verankerte Rentenformel sieht vor, dass der Beitragssatz sinkt, wenn die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung 1,5 Monatsausgaben übersteigt. Dieser Stand wird in Kürze erreicht. Wegen der „sehr positiven Finanzentwicklung in diesem Jahr“ könne der Beitragssatz gesenkt werden, heißt es im Gesetzentwurf. Aktuell verfügt die deutsche Rentenversicherung über 25 Milliarden Euro Rücklagen. Die Regierung hält die Finanzpolster auch nach der geplanten Senkung für völlig ausreichend. Angehoben wird der Beitragssatz nach der Rentenformel erst dann wieder, wenn die Rücklagen weniger als ein Fünftel einer Monatsausgabe ausmachen.

Die schwarz-gelbe Koalition rechnet nicht damit, dass das Gesetz im Bundesrat am Widerstand der Länder scheitert. Es werde in der Länderkammer keine ausreichende Mehrheit geben, um das Gesetz zu stoppen, sagte der Sprecher des Bundessozialministeriums. Dafür ist im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit gegen die Regierungsvorlage notwendig. „Die Beitragssenkung ist nicht ernsthaft gefährdet“, sagte der FDP-Politiker Kober. Er verwies auf erste Anzeichen, wonach sich die Konjunktur auch in Deutschland abschwächen könne. In dieser Phase sei eine Entlastung von Arbeitnehmern und Unternehmen sinnvoll. Er glaube ohnehin nicht, dass eine Rentenreserve von mehr als 30 Milliarden Euro lange Bestand habe. Dafür seien die Begehrlichkeiten zu groß.

Rücklage wächst auf 28 Milliarden Euro

Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) bezeichnete die von der Bundesregierung beabsichtigte Senkung der Rentenbeiträge als „Irrweg“. Die Entscheidung ignoriere die Folgen der demografischen Entwicklung und trage nicht zur Bekämpfung der Altersarmut bei, sagte Dreyer. Nun würden ohne Not die finanziellen Spielräume für eine vernünftige Reform verkleinert.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hält eine Demografiereserve für unpraktikabel. Trotz Beitragssenkung werde die Rücklage der Rentenversicherung im nächsten Jahr auf 28 Milliarden Euro wachsen, so Hundt.