Nach Hemmingen lehnt auch Ditzingen den möglichen Standort für eine Erddeponie ab. Derweil präsentiert Hemmingen Alternativen.

Betont sachlich und zurückhaltend hat am Donnerstagnachmittag der Aufsichtsrat der Abfallverwertungsgesellschaft (AVL) die jüngst publik gewordenen Vorschläge für mögliche Standorte einer neuen Erddeponie als vorläufigen Planungsstand zur Kenntnis genommen. Hemmingen und Großbottwar sind im Gespräch. Beide lehnen ab. Derweil hat sich Hemmingens Nachbar, die Stadt Ditzingen, positioniert.

 

   

Um was geht es? Die Erddeponie Am Froschgraben bei Schwieberdingen hat nur noch eine Laufzeit von etwa zehn Jahren. Sollen dann nicht lange Transportfahrten für jährlich gut 200 000 Tonnen Erdaushub und Bauschutt nötig werden, und andererseits für die AVL und letztlich für den Kreis die jährlich gut drei Millionen Euro an Gewinn durch diesen Deponiebetrieb erhalten bleiben, braucht es einen neuen, großflächigen Standort innerhalb der Kreisgrenzen. In einem Suchlauf benannte die AVL jetzt Flächen bei Hemmingen und Großbottwar als diejenigen mit den geringsten negativen Merkmalen für eine derartige Einrichtung.

Von den Protestschreiben sowohl aus dem Hemminger als auch aus dem Großbottwarer Rathaus hat man im Aufsichtsgremium der AVL Notiz genommen. Dessen Vorsitzender, der Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier, betonte daher am Donnerstag, dass es noch längst nicht um Entscheidungen gehe, sondern um den möglichst transparenten weiteren Prozess der Standortsuche. Diese würde, so sie nach Beteiligungsprozessen und Planfeststellung erfolgreich ist, frühestens in etwa zehn Jahren zum Bau führen. Die AVL betont, keine Fronten aufbauen zu wollen. Sie hält selbst die befürchteten Verkehrsprobleme für lösbar, etwa durch Umgehungsstraßen.

   

Wie reagieren die Betroffenen? „Vor allem die zu befürchtende Verkehrssituation scheint uns ein nicht lösbares Problem zu sein“, heißt es hingegen aus Hemmingen. Die Gemeinde versucht seit Jahren, ein Lkw-Durchfahrtsverbot zu erwirken. Mit der Erhöhung des Schwerlastverkehrs im Rahmen des Deponiebetriebs – von rund 70 Lastwagen am Tag ist laut den Hemmingern die Rede – würde dieses Vorgehen ad absurdum geführt. Wie gar eine Umgehungsstraße gebaut werden soll, dafür fehlt den Hemmingern nach eigenem Bekunden die Fantasie. Sie haben zwei alternative Standorte zu dem bisherigen, westlich von Hemmingen gelegenen, in die Diskussion eingebracht. An beiden Alternativstandorten – nord- und südöstlich der Gemeinde – seien die gleichen Kriterien anzulegen, wie bei der jetzt diskutierten, fordert Bürgermeister Thomas Schäfer. Die von der AVL vorgeschlagene Fläche liegt westlich des Orts, nördlich des Kreisverkehrs nach Heimerdingen.

In Großbottwar hingegen hatten drei Landwirte spontan zu einer Ortsbegehung zum potenziellen Deponiestandort zwischen Großbottwar und Oberstenfeld eingeladen. Ihre sind – wie jene in Hemmingen – nach eigenen Aussagen hochwertige Böden. Und sie versorgen über ihre Biogasanlagen rund 3000 Haushalte mit Strom. Sie sehen ihre wirtschaftliche Existenz zumindest massiv eingeschränkt. Auch weil ökologisch wichtige Flächen geopfert würden, kündigen sie „massiven Widerstand“ an und planen die Wiederbelebung einer Bürgerinitiative, die einst zur Verhinderung einer Umgehungsstraße initiiert wurde – die jetzt als Erschließung für die Erddeponie wieder ins Spiel kommen könnte.

Was sagt der Hemminger Nachbar? Der verkehrlichen Bewertung aus Hemmingen ist aus Sicht der Stadt Ditzingen nichts hinzuzufügen. „Wir teilen diese Bedenken ausdrücklich. Eine potenzielle Betroffenheit von gleich drei Ortsdurchfahrten durch den Schwerverkehr zum und vom Deponiestandort und die geografisch doch sehr periphere Lage mit langen Transportwegen aus dem ganzen Landkreis sprechen zusätzlich gegen den angedachten Standort“, sagt der Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos). Betroffen wäre neben Hemmingen und Ditzingen-Heimerdingen auch Eberdingen.

Skeptische Töne zum bisherigen Ergebnis der Standortsuche waren in der AVL-Aufsichtsratssitzung von der Grünen-Kreisrätin – und zugleich Ditzinger Stadträtin – Doris Renninger gekommen. „Für mich sind diese zwei Standorte noch längst nicht gesetzt.“

Warum wird jetzt plötzlich diskutiert? Ausschlaggebend war die öffentliche Aufsichtsratssitzung der AVL am Donnerstag. Kurz vor der Sitzung waren auch die Beratungsunterlagen öffentlich – und die bisher zur Verschwiegenheit verpflichteten Rathauschefs von Hemmingen und Großbottwar konnten sich öffentlich positionieren.

Großbottwars Bürgermeister kritisierte deshalb die mangelnde Transparenz der AVL. Auch Hemmingens Rathauschef gibt an, erst kurz vor den Sommerferien informiert worden zu sein. Makurath, der für die SPD im Regionalparlament sitzt, wurde von den Plänen am Tag vor der Aufsichtsratssitzung überrascht. „Wir haben am Mittwoch erstmals eine offizielle Stellungnahme der AVL zu diesem Thema erhalten und werden den Kontakt zum Unternehmen herstellen, um nähere Informationen einzuholen.“