Nach welchen Kriterien ist die Standortsuche für eine neue Erddeponie erfolgt? Das Gutachten ist nun öffentlich – und viele Fragen sind weiterhin offen.

Warum sind Hemmingen und Großbottwar als Standorte einer Erddeponie in der Diskussion? Bei den Informationsveranstaltungen des Betreibers, der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL), vergangene Woche blieb manche Frage offen – umso mehr wurde von den Bürgern auf eine Veröffentlichung des Gutachtens gedrungen.   

 

Wie reagieren die Kommunen? Der Hemminger Bürgermeister Thomas Schäfer macht nach einer ersten Durchsicht aus seiner Kritik am Gutachten weiterhin keinen Hehl. Als Beispiel führt er die Nennung von Funkmasten als Ausschlusskriterium an. Ein solcher Mast schließt etwa eine Fläche südwestlich von Vaihingen/Enz aus. Wer sage denn, dass es in Zukunft noch erforderlich sei, fragt Schäfer. „In zehn Jahren tut sich viel.“ Unklar sei auch, wie Hemmingen weiterhin vor Emissionen geschützt würde. Die Gemeinde liegt zu weiten Teilen in einer Umweltzone. Wäre der Lieferverkehr zur Deponie durch den Ort überhaupt erlaubt? Um solche Fragen zu klären, wollen sich Hemmingen, Ditzingen und Eberdingen gemeinsam einen Rechtsbeistand holen.

Beraten lässt sich auch der Großbottwarer Bürgermeister Ralf Zimmermann, der das Gutachten auch erst seit wenigen Tagen kennt. Er vermisse eine angemessene Beteiligung: „Die Auswahlkriterien sind völlig intransparent zusammengestellt worden.“ Die immense Größe des Gebiets von 45 Hektar und das undurchsichtige Verfahren bildeten keine Basis für eine Kompromisslösung. „Es ist nicht klar, ob der Bedarf der Fläche entspricht oder ob man uns die Riesenfläche reinsetzt, weil man erst mal für 50 Jahre Ruhe haben will.“ Zimmermann vermisst zudem Angaben etwa zu Deponie-Alternativen wie Steinbrüchen. Für sie gelte laut Umweltministerium ein Deponieverbot. „Es gibt aber durchaus Steinbrüche, die als Deponien genutzt werden.“ Die Stadt wünsche sich ein neues Verfahren, so Zimmermann.

     

Was steht in dem Gutachten? Die Auswahlkriterien für den Standort sind bereits 2010 erstellt worden, für den Suchlauf einer ersten Deponie. Das steht in dem mehr als 130-seitigen Papier des Stuttgarter Gutachterbüros Smoltcyk und Partner. Die bisherige Deponiefläche in Schwieberdingen, der Froschgraben, hat noch eine Laufzeit von rund zehn Jahren. Das von der AVL vorgegebene Mindestvolumen beträgt eine Million Kubikmeter. Zur Verdeutlichung: Bei einer Schütthöhe von zehn Metern bedeutet dies etwa eine quadratische Fläche von 316 auf 316 Metern. Zunächst wurden daher alle Flächen, die kleiner als zehn Hektar sind, ausgeschlossen. Für jede der 121 verbliebenen Flächen wurde untersucht, wie groß die Nutzungskonflikte sind mit landwirtschaftlichen Flächen, Landschaftsschutzgebieten und Naturparks sowie mit regionalen Grünzügen oder etwa Wasserschutzgebieten.

Was diskutiert die Politik? Der Landkreis verantwortet die Entsorgung von Erdmüll für die gesamte Region, also die Deponierung von unbelasteten und schwach belasteten Erdaushub, Bauresten, mineralische Gewerbe- und Industrieabfälle, mineralische Schlämme und asbesthaltige Abfälle.

Stadt- und Ludwigsburger Kreisräte verschiedener Parteien haben bereits eine Verlängerung der entsprechenden bis 2024 laufenden Vereinbarung des Landkreises mit der Region infrage gestellt. Kritiker dieser Regelung sehen bei der Suche eines Standorts die gesamte Region in der Pflicht.

„Das Problem ist nicht das Was, sondern das Wie“, sagt der Vaihinger Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Rösler zum Gutachten. Die AVL und der Landkreis hätte die Bevölkerung früher einbeziehen müssen, um die Kriterien gemeinsam festzulegen. Ein Miteinander hätte das Verständnis für die Entsorgungspflicht gefördert: „Wir sind alle Mitverursacher des Bauschutts, wenn etwa Eltern Kita-Neubauten fordern oder andere Bauprojekte verwirklicht werden.“ Inhaltlich sind im Gutachten aus seiner Sicht die Bedeutung der landwirtschaftlichen Flächen für die Nahrungserzeugung zu wenig herausgestellt worden. „Es werden keine Bodenpunkte genannt.“ Angesichts des Klimawandels hätte er zudem die Anbindung an den Schienenverkehr berücksichtigt.

Sind alle Aspekte gleichwertig? Diese Kriterien wurden außerdem in drei Stufen gewichtet, von gering bis hoch. Hohes Gewicht etwa hat der Gutachter dabei den gesetzlich geschützten Biotopen sowie landwirtschaftlichen Flächen eingeräumt, weil sie „durch die Errichtung der Deponie in dieser Qualitätsstufe ebenfalls dauerhaft verloren“ gingen, heißt es in dem Gutachten. Gleichwohl sind beide näher zu prüfenden Flächen davon betroffen. Darauf hatten die Landwirte sowohl in Hemmingen als auch Großbottwar mehrfach verwiesen.

Wer hat die Kriterien gewichtet? An der Abstimmung der Gewichtung beteiligt waren laut dem Gutachter außer der AVL und ihm mehrere Fachbereiche des Landratsamtes und der Planungschef des Verbands Region Stuttgart, Thomas Kiwitt.

Was sind die nächsten Schritte? Nächste Schritte sind laut dem Landratsamt eine vertiefte Planung mit detaillierter Prüfung der zwei Flächen. Dazu gehören Untersuchungen zu Verkehr, Staub und Lärm.

Wann entscheidet der Kreistag darüber? Formal zuständig ist der Kreistag, wenn darüber entschieden wird, den Antrag auf Planfeststellung beim Regierungspräsidium einzureichen. „Aus heutiger Sicht lässt sich noch nicht sagen, wann der Kreistag darüber debattieren und entscheiden wird“, sagt ein Sprecher des Landratsamtes.